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Goethe und Gustchen Stolberg.
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ich, es ist eine Krankheit zum Tode. Kl. O! sie sind schon gestorben. Ich. Und begraben darzu. Kl. Was? Sie sind schon auferstanden. Ich. Ey! Sie sind schon seelig. Kl. Ja nun kann ich nicht weiter. Darauf kam sie herunter. Wir sprachen, sagt ich, eben zusammen von Ihrer Krankheit, Begräbnisse, Auferstehung und Seeligkeit. Wie so? Ja, gestehen Sies nur, sagte Klopstock, Ihr Briefschreiben ist doch eine wahre Krankheit, eine Seuche, eine Schwachheit liebe Gräfinn. Sie mögen aber doch wohl selbst gern Briefe haben? Das mag ich wohl, sagte er. O das Briefelesen ist eine vortref- liche Sache; aber das Schreiben! Es ist eine Schwachheit, ein Fehler, sag ich, aber eine liebenswürdige Schwachheit! Wenn sich die Briefe selbst schrieben!"

Dieserliebenswürdigen Schwachheit" danken wir die kleine Reihe voll Briefen Goethes an Auguste Stolberg. Durch ihren Bruder war die Gräfin schon 1773 mit den Genossen des Göttinger Hains bekannt geworden; mit Bvie, mit Boß hat sie, wie wir wissen, damals Briefe gewechselt. Für ihre Freund­schaft und ihren Briefwechsel mit Goethe aber wurde das Erscheinen von Werthers Leiden" (1774) der Anknüpfungspunkt. Zeit und Art der Anknüpfung lassen sich freilich nicht völlig aufklären. Goethe selbst erzählt im 18. Buche vouDichtung und Wahrheit", daß er durch das früheste Auftauchen seines Talents imGöttinger Musenalmanach" mit den beiden Grafen Stolberg in ein gar freundliches Verhältniß gerathen sei. Ein Briefwechsel zwischen ihnen scheint aber nicht vor dem Erscheinen desWerther" bestanden zu haben. Dann aber werden es die beiden Grafen gewesen sein, die den Faden anknüpften und die auch den brieflichen Verkehr Goethes mit Gustchen einleiteten. Goethe stand damals im 26. Jahre, Gustchen war 22 Jahre alt.

Die achtzehn Jugendbriefe Goethes an Auguste Stolberg, welche die vor­liegende Sammlung umfaßt die ersten neun davon haben auch in Hirzels Jungem Goethe" Aufnahme gefunden fallen in die Zeit vom Januar 1775 bis zum März 1782. Wir dürfen annehmen, daß keiner fehlt, daß es alle sind, die Goethe in diesem Zeitraume überhaupt an sie geschrieben. Der erste Brief ist datirt vom 26. Januar 1775, ist aber, wie aus dem Wortlaute des Briefes selbst hervorgeht, schon acht Tage vorher begonnen, auch erst einige Tage nach dem Datum weggeschickt. Goethe wußte in diesem Briefe noch nicht, an wen er schrieb; die Adresse lautet:Der theuern Ungenandten." Offenbar hatten die beiden Stolberg oder einer von beiden in ihrem letzten Briefe an Goethe ein nicht unterzeichnetes Briefchen ihrer Schwester beigelegt, und Goethe fügte seinerseits die Erwiederung wieder als Einschluß seiner Antwort an die Brüder bei. Dies Anonymitätsspiel wird cmch noch im zweiten Briefe vom 13. Februar fortgesetzt; erst im dritten Briefe vom 7. und 10. März redet er Auguste mit ihrem Namen an. Natürlich ist es völlig unwahrscheinlich, daß

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