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Feldmarschall Fürst Wrede.
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den einsichtigen bairischen Offizieren sei selber nicht an diese gemachte Größe geglaubt worden; sie hätten wohl gewußt, daß sein in Rußland gebliebener Kamerad Deroy, der Reformator der bairischen Infanterie, ein ungleich tüchti­gerer Soldat gewesen, und daß die Glanzzeit der bairischen Waffen nicht in dem Feldzuge der Verbündeten von 1814, sondern in den Kriegen des Rhein­bundes gesucht werden müsse. Indeß der Glückliche habe sich zur rechten Zeit von Frankreich abgewendet und den für Oesterreich so vortheilhaften Rieder Vertrag abgeschlossen. Wohl sei der säbelrasselnde Prahler bei Hcmau vou Napoleon geschlagen worden. Das habe ihn aber nicht bescheiden gemacht. Berauscht von dem beflissenen Lobe, das ihm die Alliierten für seine Niederlage gespendet, sei er nach Wien gekommen und habe sich hier vermessen, die preu­ßische Habgier mit den Waffen zu züchtigen, während er für Baiern selbst Mainz, Frankfurt und Hcmau, eine ganz unverhältnißmäßige Entschädigung forderte. So Treitschke.

Anders urtheilt der neueste Biograph des Marschalls, selbst ein hoher Offi­zier der bairischen Armee, dessen Werk uns vorliegt.*)Wrede war," so sagt er,der fähigste und unerschrockenste General auf dem Schlachtfelde, ehrgeizig, feurig und scharfblickend, eigenwillig, aber stark. Mit scharfen Sinnen begabt, von kräftigem Wüchse und mehr als gewöhnlicher Größe war er unermüdlich im Ertra­gen von Strapazen und Entbehrungen und durch weise Vertheiluug der Kräfte für entscheidende Augenblicke immer thatkräftig und heitern Sinnes. Als Befehls­haber der Abgott der Armee, der Beschützer des Geringsten im Heere, streng, aber doch human und leutselig. Als Staatsmann der vertrauteste Rath seines Königs, der treueste anhänglichste Diener seines Herrscherhauses. Im Privat­leben höchst anspruchslos, als Mensch, Gatte und Vater angebetet im Kreise seiner Familie und Angehörigen. Er war von Natur aus vertrauensvoll, groß­müthig und nachsichtig."

Wir haben diese beiden außerordentlich verschiedenen Beurtheilungen des Fürsten einander gegenüber gestellt, damit man gleich erkenne, auf welchen Standpunkt Heilmann in seiner Biographie sich stellt. Man schließe aber nicht etwa daraus, daß er wesentlich polemisch gegen die norddeutschen Geschichts­schreiber verfahre. Wo es ihm nothwendig erscheint, scheut er allerdings den Kampf mit den Gegnern seines Helden nicht. So wendet er sich energisch gegen den Vorwurf, der von Treitschke gegen ihn erhoben worden ist, daß er in Schlesien geplündert und gestohlen habe, und zwar vornehmlich während des Winterfeldzuges im Jahre 1807. Diese Anklage ist nicht neu. Sie wurde zu-

*) Feldmarschall Fürst Wrede. Von I. Heilmann, kgl. bahr. Generalmajor und Brigade-Commandeur. Mit dem Porträt des Feldmarschalls. Leipzig, Dunker K Huin- blot, 1881.