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alles gut, was der. athenische Staatsmann für gut befunden hatte; denn sie glaubten an die Orakelweisheit des Ephialtes, daß Perikles durch ihr frühzeitiges, freies und kluges Wollen eine große diplomatische Niederlage erlitten habe, die nothwendig zu seiner Verbannung führen müsse.
Die Athener aber freuten sich über die kühnen und weisen Botschafter und blickten sie mit jenem heitern Erstannen an, mit dem sie die schwarze Venus angeschaut hatten, die Demokrit aus Aethiopien einige Jahre zuvor mitgebracht und den Athenern als eine seltene Curiosität gezeigt hatte, ehe er sie seinen geliebten Mitbürgern zuführte, welche nicht müde werden konnten, sie als die vollkommenste Schönheit zu bewundern. So viel wurde in Athen von der Gesandtschaft gesprochen, und so sehr wuchs das Verlangen der berühmtesten der athenischen Bürger nach dem Anblicke der Helden des Tages und der Unterhaltung mit ihnen, das selbst die schöne Aspasia den Wunsch äußerte, sie kennen zu lernen. So lud sie denn Perikles zu sich ein. Alle witzigen Köpfe Athens waren mit eingeladen; auch der junge Aristophcmes fehlte nicht. Die allgemeine Lust soll groß gewesen sein. Keiner wollte je in seinem Leben mehr gelacht haben als an diesem Tage. Die abderitische Bildung und Gesinnung wurde von Perikles feierlich für eine allgemeine „Vaterlandszukunftsbeglückungs- menschheitsangelegenheit" erklärt. Aristophanes machte anthropologische Studien für seine komischen Charakterköpfe und schrieb bald darauf eines seiner berühmtesten Lustspiele: „Die Abderiten", das leider verloren gegangen ist. Die geistreiche Aspasia aber nannte von diesem Tage an jede lächerliche Verirrung des menschlichen Verstandes, jede pfahlbürgerdünkelhafte Gesinnung, jeden selbstmörderischen Freiheitsdusel abderitisch.
Diejenigen, welche etwa begierig sein möchten, zu erfahren, ob dieser Geschichte in ihren charakteristischen Zügen Thatsachen zu Grunde liegen, oder ob sie nicht vielmehr erdichtet sei, empfehlen wir die Leetüre der avderitischen und nichtabderitischen Gazetten unserer Zeit.
Den Abderiten aber „in Jlion und außer Jlion", die sich einen falschen Begriff von Freiheit in den Kopf gesetzt haben und bei denen Launen und Grillen, Bequemlichkeit und Eigendünkel die Stelle der Vernunft ersetzen sollen, rufen wir mit einem unserer classischen Schriftsteller zu: „Nun denn, meine lieben Abderiten, so denkt und faselt, bewundert und verachtet, wie, wenn und was euch beliebt! Begeht Thorheiten, so oft und so viel euch beliebt! Macht euch lächerlich, wie es euch beliebt! Wem liegt am Ende was daran? So lange es nur Kleinigkeiten, Puppen und Steckenpferde betrifft, wäre es unbillig, euch im Besitze des Rechts, eure Puppe und euer Steckenpferd nach Belieben zu putzen und zu reiten, stören zu wollen. Gesetzt auch, eure Puppe wäre häßlich, und das, was ihr euer Steckenpferd nennt, sähe von vorn und von hinten