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Der Streit der Nationalitäten in Oesterreich.
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stellungen eröffnen und hatte bereits ein treffliches Personal engagiert, auch diesem schon beträchtliche Vorschüsse gemacht, als plötzlich die für ganz sicher gehaltene Ertheilung der Concession zweifelhaft wurde. Dies war die Frucht einer monatelangen Hetze der magyarischen Blätter, die alle als Vaterlands­verräther brandmarkten, welche für die Concession stimmen würden. So unsinnig nun ein solches Gebahren war, die deutschen Stadtvertreter ließen sich jammer­voller Weise einschüchtern, und da obendrein die entscheidende Sitzung natürlich zufällig auf einen jüdischen Feiertag fiel, der die israelitischen Mitglieder von der Abstimmung fernhielt, auch weitere vierzig Mitglieder, Ministerial- beamte und dgl. - natürlich zufällig fehlten, so wurde am 15. September nach fünfstündiger stürmischer Debatte die Concessionsertheilung verworfen mit 77 gegen 76 Stimmen, also einer Stimme Mehrheit! Trotz der Brutalität dieses Beschlusses gegen die Deutschen und den Pächter des Theaters bestätigte ihn doch der Minister. des Innern Tisza aus Achtung vor der Selbstbestim­mung der Stadtgemeinden und Comitatsvertretnngen, die allerdings bisher sich so zarter Rücksichtnahme keineswegs zu erfreuen gehabt, sondern ihre Beschlüsse sehr häufig hatten cassieren lassen müssen, namentlich wenn sie deutsch waren, und der officiöseEllenör", dessen Eigenthümer Csernatory für einen intimen Freund des Ministers gilt, predigte schon die Magyarisierung des Handels in der Sprache der Bücher, der Wechsel und der Börse zu Pest, da ohne diese Pest keine Weltstadt werden könne. Diese Entdeckung, daß das Magyarische eine Weltsprache sei, war zwar neu, stimmte aber so sehr zu dem ganzen System, daß niemand Anstoß nehmen konnte, und nur wenige Magyaren, wie der Abgeordnete Jranyi, wagten gegen den nationalen Taumel aufzutreten.

Da wurde dem herausfordernden Uebermuthe so entschiedene Erwiederung, daß er klein beigab. Freilich nicht durch die ungarischen Deutschen, die bisher wenigstens alles haben über sich ergehen lassen, wenn sie es nicht gar vorzogen, die enragiertesten Magyaren zu spielen, zur Schande des deutschen Namens, sondern von den Deutscheu westlich der Leitha und im Reiche. In der Er­kenntniß, daß mit Vernunftgründen nichts auszurichten, griff man zu Repressalien. Die Kaufleute des böhmischen Tachau z. B. brachen alle Beziehungen mit den großen Dampfmühlen in Pest ab; große Häuser in Leipzig und Magdeburg kündigten einer großen Pester Weinhandlung ihre Kundschaft; schon ging durch die deutschen Blätter die Aufforderung, die ungarischen Werthpapiere vom deutschen Markte zu verdrängen; die Münchener und Düsseldorfer Künstler weigerten die Beschickung der Pester Gemäldeausstellung, da deutsche Bilder dort unmöglich gefallen könnten; in Dresden veranstaltete ein (privates) Theater eine Vorstellung zu Gunsten der brotlosen deutscheu Schauspieler in Pest, eine andere fand zu Berlin unter Mitwirkung von Mitgliedern der königlichen