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Literatur.
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Wirken in sich trägt und die Titelheldin der Novelle ist. Eine Handlung ist nur insofern vorhanden, als alle diese Leute,stehen und gehen, Thee und Wein trinken, Brod essen, Briefe empfangen und vorlesen, Wandrungen im Freien unternehmen. Einen poetischen Zweck hat die Handlung nicht. Sentenzen wie folgende:Weder die materialistische Naturwissenschaft, noch die idealistische Geisteswissenschaft, welche die Materie als etwas wirklich Seiendes bestehen läßt, kann zur Erkenntniß des Dinges an sich, zur Erkenntniß der wirklichen Ursachen alles Geschehens in Natur und Geschichte vordringen, sie bleiben an den Erscheinungen mit ihren unabänder- lichen Gesetzen haften, daher gelangen sie auch nicht zur Erkenntniß der Freiheit, daher giebt es für sie keine wahre Sittlichkeit und kein sittliches Streben nach einem sittlichen Zwecke .... Durch den Materialismus wird die Welt scheinbar ein Para­dies, das in Wahrheit ein Thiergarten ist, durch den Idealismus wird die Welt zu einem Jammerthals mit einem großen Buddhistenkloster. Da beiderseits der Aberglaube an die Wirklichkeit der Materie die Ursache ist, muß dieser Aberglaube durch die sich selber Mre Vernunft untersucht und überwunden werden. Ergiebt die Untersuchung, daß die gereinigte Erfahrung Materie nirgends, allüberall nur räumlich-zeitlich-thätige, intelligente, sittlich zweckstrebcnde Kräfte wahrnimmt, die sogenannte Materie nur Vorstellung ist, dann muß auf Grundlage dieser neuen Weltanschauung die Erziehung des Volkes von unten und oben zur sittlichen Ge­rechtigkeit und vernünftigen Sittlichkeit und Religiosität sogleich in Angriff genom­men und energisch und ausdauernd durchgeführt werden. Dann wird das Leiden der Welt vermindert werden und der Tod aufhören Gegenstand der Furcht oder der Hoffnung zu sein" oder:Der Mensch ist seinein Grundwesen nach die voll­endetste Selbständigkeit und Innerlichkeit, darum die lebendige Erfüllung des Ver­langens der Natur. Er ist die Blüthenknospe der herrlichen Pflanze Natur. Wie der König ein Sterblicher ist wie die andern Sterblichen, aber doch hocherhaben über allen steht, Majestät ist, so ist der Mensch Naturwesen wie die andern Natur­wesen, aber doch hocherhaben über alle, er ist Majestät" solche Sentenzen scheinen nur die Einleitung bilden zu sollen zu einer dringenden Empfehlung von Erzie­hungsanstalten für jugendliche Verbrecher und von Erziehungsanstalten für arme Knaben nach dem Muster der ErlangerSonnenblume". Wir maßen uns nicht an, auch nur einen Laut gegen die letztern wohlthätigen und christlichen Zwecke vorzubringen, wir fragen nur, ob dieselben durch eine, vom künstlerischen Standpunkte aus betrachtet, nahezu alberne Erfindung, durch eine gestaltlose sogenannte Novelle gefördert werden können, welche nur zu dem Zwecke zu existieren scheint, dem Ver­fasser die ganz fragmentarische Mittheilung seiner Gedanken und Wünsche zu er­möglichen. Warum, wenn ihm keine andere Form zu Gebote stand, nicht schlicht- weg einzelne Gedanken und Betrachtungen geben? Warum einen hohen Ton an­schlagen, als ob diepädagogische Novelle" ein vornehmeres Gewächs sei als die in sich zusammenhängende, nach poetischer Wirkung strebende Erzählung? Poesie ist Leben; wir bestreiten dem Verfasser keineswegs, daß auch die Lebenserscheinun­gen, die er in seiner Novelle andeutet, poetisch erfaßt und künstlerisch gestaltet werden können, aber in seinerClytia" ist es weder geschehen noch ist der leiseste Versuch dazu gemacht. Wer die Kunst übt, soll auch ihre Gesetze ehreu.Irre die Spiel­leute nicht. Und wenn man Lieder singet, so wasche nicht darein und spare deine Weisheit bis zur andern Zeit", heißt es schon im Jesus Sirach.

Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. Druck von Emil Herrmann senior in Leipzig-