— 227 —
genügen aber, um uns das noch unvergessene Stadtbild des Haag ganz wieder einzuprägen. Für mich gehört der Haag zu den allerreizvollsten Residenzstädten Europas. Großstädtisch ist der Gesammteindruck gewiß nicht, eher idyllisch. Aber es liegt schon ein eigner Reiz darin, sich dieses Idyll als Mittelpunkt eines Reiches zu denken, dessen Banner jenseits des atlantischen und des indischen Oceans flattern; und es liegt ein besondrer Reiz darin, von den herrlichen Kunstschätzen der Haager Mnseen nicht in lautes, großstädtisches Treiben, sondern in stille, saubere, freundliche Straßen hinauszutreten. Der national-holländische Stil der städtischen Anlage und der Bauart der Häuser ist hier im internationalen Geschmack gerade nur so viel modernisiert, wie es der Residenzstadt ziemt. Mitten in der Stadt der Schwanenweiher, welcher die unregelmäßigen Mauermassen des mächtigen alten „Binnenhofes" bespült; die von Palästen umgebnen saftigen Wiesen, welche an der offnen Seite der grüne Wald begrenzt; daneben auch hier echt holläudische Straßen mit Kanälen und Bäumen; alles das webt sich zu einem heitern, liebenswürdigen Stadtbilde zusammen, welches durch seine landschaftliche Umrahmung noch einen doppelten Reiz erhält, den der Haag mit keiner andern Hauptstadt Europas theilt. Eiuen waldartigen Park besitzen freilich manche Städte, auch Berlin. Man denke sich aber jenseits des Berliner Thiergartens den Wald von Stranddünen begrenzt nnd jenseits der Düneu das unendliche Meer! Das ist eine Verbindung, der nur der Haag sich rühmen kann. Dabei ist alles so vortrefflich gehalten, die mit Backsteinen gepflasterten Straßen durch den Wald, die weiten, grünen Weiden mit den sauberu, friedlich grasenden Kühen, zu denen man vom Waldrand hin^ ausblickt — jeder Blick ein Bild von Paul Potter —, die wohleingefaßten Ecmäle, auf denen die Treckschuyten, jene von Pferden gezognen Omnibusbote, voll geputzter Menschen friedlich entlanggleiten, die reizend mit Teppichbeeten ausgelegten Gärten vor den Villen, alles das ist so liebevoll gepflegt, daß es eine Lust ist. Das Wetter ist schön geworden, aber die Landschaft hat plötzlich einen leicht herbstlichen Anstrich erhalten. Einige Bäume sind schon ganz hellbraun geworden und stehen so auffallend neben andern, noch ganz grünen Bäumen, wie man es auf manchen holländischen Bildern, z. B. gerade auf Bildern Paul Potters sehen kann.
Den 4. September 1878. Seit ich zum letzten Male im Haag gewesen bin, ist im großen Museum manches verändert und umgehängt worden. Vor allen Dingen ist das Erdgeschoß ganz mit zur Gemäldegalerie gezogen, und hier sind über zwanzig Gemälde des tüchtigen alten Haager Meisters van Rcwesteyn aufgehängt worden. Er tritt in diesen Einzelporträts durchaus ehrlich und wahr und tüchtig auf, nicht aber so geistreich wie in den großen „Regentenstncken" im hiesigen Gemeindemnseum.