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Blicke auf die politische Lage in auswertigen Fragen : 4. Griechenland und die Großmächte.
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Wollten diese nach Ausbruch des Kampfes mit ihren patriotischen Bei-- steuern fortfahren, so würde der Pforte das unzweifelhafte Recht zustehen, diese Einnahmequelle durch Beschlagnahme des Vermögens der Steuernden zu verstopfen. Die Freiwilligen in Griechenland würden dann voraussichtlich nicht lange mehr bei den Fahnen bleiben; denn das heutige Griechenland stellt schwerlich viele Kämpfer von der Sorte, wie sie einst unter Miltiades und Themistokles oder später unter Kolokvtronis und Marko Bozzaris strittcu. Der Feldzug des Königs Georgios gegen den Sultan würde also vermuthlich einen ähnlichen Verlauf nehmen wie der serbische im Jahre 1876, welcher nicht anders als kläglich zu nennen war, und nach welchem nur die Drohungen Kaiser Alexanders den Fürsten Milan vor einem schmachvollen Frieden be­wahrten. Ob sich bei dem Versuche der Griechen, die Provinzen Thessalien und Südalbanien durch gewaltsame Oecupation an sich zu bringen, wenn er miß­glückte, eine der europäischen Mächte für die Besiegten so energisch Partei er­greifen würde wie damals Rußland für dieslavischen Brüder" an der Drina und Morawa, erscheint nach der augenblicklichen politischen Lage mindestens sehr zweifelhaft.

Wir müssen also dabei bleiben, daß Griechenland ohne Unterstützung durch andere Mächte bei einem Kampfe mit der Pforte viel wagen und aller Wahr­scheinlichkeit nichts ausrichten, vielmehr den Kürzeren ziehen würde. Hat es nun solchen Beistand zu hoffen? Nach der Thronrede vom 21. v. M. hat man dies vermuthen wollen. Aber Vieles spricht dagegen. Deutschland und Oesterreich-Ungarn werden sicherlich ihre Hand nicht zu Unternehmungen leihen, die nicht mit ihrem Interesse verknüpft sind und zu denen sie sich durch die Vorschläge, die sie auf der Berliner Conferenz unterzeichneten, durchaus nicht verpflichtet haben. Sie wünschen vielleicht, obwohl dies bei Oesterreich-Ungarn starken Zweifeln unterliegt, daß Griechenland Thessalien und Südepirus erhalte, aber ganz gewiß wünschen sie noch mehr, daß Frieden und Ruhe gewahrt bleiben. Rußland hat kein Interesse, die Griechen stärker werden zu lassen; denn sie sind keine Slawen und mit ihren Absichten auf Konstantinopel seine Coneurrenten. Italien kommt wenig in Betracht, denn es wird in orientalischen Fragen gewiß nicht für sich allein und gegen den Willen seiner unmittelbaren Nachbarn handeln. Frankreich schließt sich, obwohl Waddington der Urheber und Förderer des Ge­dankens einer Vergrößerung Griechenlands auf Kosten der Pforte war, wenn nicht alles trügt, gegenwärtig den Ansichten Deutschlands und Oesterreich-Ungarns an. Der Iswxs, welcher in dem Rufe steht, die Ansichten der Regierung widerzuspiegeln, schrieb in diesen Tagen:Die von Herrn Gladstone veranlaßte Berliner Conferenz hat sich gegen Griechenland ohne Zweifel sehr freigebig be­nommen. Sie hat ihm einen beträchtlichen Zuwachs an Gebiet zugebilligt, der