— 121 —
Vergnügen" etwas Unterricht auf dein Jnstrnmente erhalten haben. Wie das ausfüllt, mag man sich denken. Dein Verfasser dieser Zeilen wurden Schiller zugeführt, die nach zweijährigem Unterricht bei „einer Dame" noch nicht einmal unterscheiden konnten, obs „hinauf oder herunter ging" und keine Note kannte», obgleich sie einiges Talent hatten. Was aber diesen „Damen" zn Schülern verhilft, ist die ganz verkehrte Voraussetzung der Eltern, daß man für den ersteil Anfang noch nicht einen theuren Lehrer, einen „Herrn Musikdirector" oder dergleichen nöthig habe. Sie vergessen, daß von diesen Stunden zn einer Mark drei vielleicht noch nicht so viel werth sind, als von einem tüchtigen Lehrer eine einzige Stunde zu drei Mark. Gerade der erste Unterricht ist ja von allerhöchster Bedeutung für die Entwicklung des Talents und des Strebens. Es ist darüber schou 'so viel -geschrieben worden, daß die Eltern ja auch allmählich anfangen, sich um die musikalische Vorbildung der Klavierlehrer oder Lehrerinnen zu bekümmern, denen sie ihre Kinder anvertrauen, und in Folge dessen ist es für diese wieder von Wichtigkeit geworden, sich auf ein namhaftes Institut oder einen berühmten Lehrer berufen zu können. „Schülerin des Leipziger Konservatoriums", „Schülerin von Kullak" u. s. w. sind jetzt Devisen geworden, unter denen sich die Damen schnell und glücklich einführen, gleichviel, wie weit fies in Leipzig oder bei Kullak gebracht haben. Man kann ihnen doch nicht gut das Zeugniß abfordern, dessen Auskunft überdies nur ein mangelhaftes Bild von dem künstlerischen Können der Betreffenden geben würde. Das Leipziger Konservatorium hat einen schnell wechselnden Bestand von mehreren hundert, die Knllaksche Akademie von über tausend Schülern. Daß das nicht alles em- Pfehlenswerthe Lehrer werden, ist selbstverständlich, und so ist es mit allen Musikschulen.
Gewiß ist es begreiflich, daß jnnge Mädchen sich den Unterricht im Klavierspiel als eine schöne Aufgabe uud einen angenehmen Berns denken; daß sie sich in letzter Beziehung stark täuschen, sehen sie bald genug ein, und daß sie der schönen Aufgabe nicht gewachsen sind, bemerke,: vielleicht die Angehörigen ihrer Pfleglinge eher als sie selber. Die Folge ist ein häufiger Wechsel der Lehrkräfte, der auf die Entwicklung der Schüler verwirrend und hemmend wirken muß. Leider sind ja selbst die kleinsteil Städte so mit Mnsiklehrern und Musik- lehrerinnen überschwemmt, daß man für den Fall des Wechsels nie in Verlegenheit kommt, lllld es sind sogar oft genug nuter den Verwandten und Bekannten mehrere mustklehrende Individuen, denen aus begreiflicher Rücksicht die Schüler zugeführt werden. Natürlich hat der kein Recht zur Klage, der aus falscher Sparsamkeit oder gesellschaftlichen Rücksichten seine Kinder einein dieser halbgebildeten Lehrer zuführt; man darf getrost behaupten, daß es überall auch gute oder doch passable Lehrer giebt, die wenigstens selber mnsiknlisch sind uud solide musikalische Elementarkenntnisse haben. Der Unterricht eines älteren Orchestermusikers ist auf alle Fälle dem einer selbst ohne rhythmisches Gefühl und ohne harmonisches Verständniß fehlerhaft dilettirenden Dame vorzuziehen. Die telbst nur halbgebildeten Lehrerinnen sind hinsichtlich der Lehrmethode völlig unselbständig und genöthigt, sich an eine sogenannte „Klavierschule" anzuklammern; unfähig, eine verständige Allswahl des dariu gebotenen Materials zn treffen und je nach der Anlage des Schülers Sprunge zn machen, lassen sie denselben sich durch den ganzeil Ballast meist sehr mittelmäßig gesetzter Musik durcharbeiten. Des Schülers Lust zur Musik erlahmt bei diesem pedantischen mnerlei gar bald, und er kommt nur langsam vorwärts. So vergehen Jahre, die Klavierschule ist noch immer nicht absolviert, und außer einigen Salonstücken