Planen angelangt wäre nnd an eine Untergrabung des Berliner Vertrags dächte, behilflich zu sein. Dieser Vertrag verlangte von der Türkei Opfer, sicherte ihr aber auch werthvvlle Rechte und Vortheile zn, nnd wenn wir mit Gladstone auf die Erfüllnng der Verpflichtung zu jenen dringen müssen, so werden wir andererseits auch darauf Bedacht zu nehmen haben, daß diese nicht in Vergessenheit gerathen oder geschmälert werden. Dies fordert nicht bloß die Gerechtigkeit, sondern anch unser eigenstes mittelbares und unmittelbares Interesse. Herrn Gladstoue aber kaun man fragen, warum er bisher bei seinem an sich löblichen Eifer für die Ausführung des Berliner Vertrags nur die von letzterem der Pforte auferlegten Opfer und nicht auch die ihr gewährten Rechte und Befugnisse betont hat. Er dringt auf die Herausgabe Duleiguos, und er wird später ohne Zweifel auf der Abtretung Janinas und Larissas bestehen. Es wäre logisch und gerecht, wenn er die Mächte, die das europäische Concert bilden, zn gleicher Zeit angeregt hätte, darauf zu sehen, daß Bulgarien dem Sultan seinen Tribut entrichtete, daß die Donaufestungen tractatmäßig geschleift würden, daß türkische Truppen die Uebergänge über den Balkan besetzen dürften, daß die offenbetriebenen Vorbereitungen zn einer Verschmelzung Bulgariens mit Ostrnmelien aufhörten und daß Batnms Befestigungen fielen. Wenn er — etwa im Einverständnisse mit Rußland — zu Maßregel» schritte, die zu einem Kriege mit der Pforte führen müßten, so würden ihm sicher Deutschland nnd Oesterreich-Ungarn zn solchen Thorheiten nicht folgen, sehr wahrscheinlich auch Frankreich nicht und ebenso wenig die Mehrzahl des englischen Volkes und Parlaments.
Kehren wir zum Schlüsse zu der letzten Note der Pforte zurück, so können wir darin nicht, wie andere, einen neuen Versuch zur Verschleppung der darin behandelten Fragen erblicken; dazu erscheint die Lage zu ernst, und andererseits sind die Termiue, welche man sich setzte, nicht lang genug. Man scheint vielmehr begriffen zn haben, daß die Hartnäckigkeit des passiven Widerstandes, den man der Abtretung albanesischen Gebietes an Montenegro entgegensetzte, bei den Mächten nicht verfangen und deren Haltung nicht beeinflussen konnte. Das ganze Verfahren der türkischen Staatsmänner seit dem Mißglücken des Corti'- schen Planes beruhte auf der irrthümlichm Meiuuug, der gesammte Gang der Dinge werde nothwendig zu einer Auflösung des Einverständnisses der sechs Großmächte sichren. Statt dessen haben sich dieselben fester an einander geschlossen, so daß sie, wenigstens äußerlich betrachtet, bis jetzt die Einmüthigkeit des europäischen Willens gegenüber der Politik der Pforte mit aller Correct- heit repräsentieren. Man darf wohl annehmen, daß dies endlich in Konstantinopel einigen Eindruck gemacht hat, und daß die Note vom 4. October Neigung zur Nachgiebigkeit bedeutet. Viel aber ist von ihr zunächst nicht zu erwarten, da es nicht die Art orientalischer Politiker ist, gerade Wege zn gehen, und da
Grenzboten IV. 1830. 13