Beitrag 
Dr. Hasse und die Gymnasien : ein Beitrag zur Ueberbürdungsfrage.
Seite
18
Einzelbild herunterladen
 

18

wegung, weil dazu die Zeit fehlt, l>ei Mangel an Zeit zur Erholung, Zerstreu­ung und Ableitung der geistigen Thätigkeit ans andere Gebiete, am liebsten der Unterhaltung, die einzig nachweisbare Ursache der sich entwickelnden oder be­reits entwickelten Geistesstörung war."

Das klingt in der That schlimm genug, uud man wnndert sich beinahe, daß die Elternliebe es noch über sich gewinnt, ihren Nachwuchs der geistigen Mißhandlung der Gymnasien zu übergeben. Es ist aber bekanntlich nichts schwieriger, als den Ursachen geistiger Störungen nachzuforschen, und selbst ein so erfahrener Beobachter wie Dr. Hasse ist schwerlich einer Täuschung ganz un­zugänglich. Wenn sorgfältige Nachfragen nicht irre geleitet find, so kommt von den in Frage stehenden jungen Leuten der eine aus einer Familie, in der eine Anlage zu geistiger Störung erblich ist, ein anderer ließ sich durch die Noth des Lebens, die er unerwartet an sich herantreten sah, verleiten, aus eigenem Antriebe neben seiner Schulthätigkeit wöchentlich noch eine bedeutende Zahl von Privatstunden zu ertheilen. Diese Thatsachen werden Herrn Dr. Hasse nicht bekannt geworden sein, sonst würde er schwerlich für diese Fälle die Schule und deren Organisation verantwortlich zu machen geneigt sein. Was die anderen Fülle anlangt, so sind dieselben dem Einsender dieser Zeilen nicht bekannt, und er ist weit davon entfernt zu bezweifeln, daß eine geistige Ueberanstrengung als die Veranlassung der geistigen Störung anzunehmen ist. Aber ist damit schon erwiesen, daß diese Ueberanstrengung den betreffenden Schulen, d. h. den Lei­tern und Lehrern derselben, sowie dem ganzen Unterrichtssystem, zur Last zu legen sei? Worauf gründet Dr. Hasse diese seine Ueberzeugung? Zunächst ohne Zweifel auf die Aussagen seiner Patienten und der Angehörigen derselben. Aber ist diese Quelle immer eine durchaus zuverlässige? Ist es nicht jedem Kundigen bekannt, wie sehr die Jugend es liebt, die eigene Arbeit zu über­schätzen, wie gern die Elternliebe in ihren vocabellernenden Lieblingen jugend­liche Märtyrer erblickt, wie sehr gerade in unserer Zeit das Publikum geneigt ist, wie an allen öffentlichen Institutionen, so ganz besonders an den öffentlichen Schulen zu mäkeln und zu kritisiren?

Es ist ein alter Grundsatz der Gerechtigkeit, daß auch der andere Theil gehört werden solle. Aber es ist nicht bekannt geworden, daß Dr. Hasse, bevor er sein Verdammungsurtheil gefällt, diesem Grundsatze gerecht geworden ist. Vielleicht hätte eine Nachfrage bei der betreffenden Schulverwaltnng ihm noch andere Ursachen der geistigen Ueberanstrengung und der daraus hervorgegan­genen Störung als die überspannten Anforderungen der Schule ergeben. Viel­leicht hätte sich herausgestellt, daß das Uebermaß geistiger Arbeit auf dem eigenen Willen der Schüler, auf übermäßigem Ehrgeiz, auf einer unrichtigen Zeit- und Arbeitseintheilung oder, wie in dem bereits erwähnten Falle, auf der Noth und