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Die akademische Kunstausstellung in Berlin. 2.
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ist und der sich gegen den graugrünen Fond in plastischer Schärfe absetzt. Nach­dem uns Gussow in diesem köstlichen Bilde gezeigt hat, bis zu welcher bewun- deruugswürdigen Höhe sein coloristisches Könuen hinaufreicht, müssen wir die drei anderen Gemälde von seiner Hand, welche die Ausstellung aufweist, um so strenger verurtheilen. Wohl zeigen die beiden Bildnisse juuger Mädchen eine ähnliche Kraft der Mvdellirung, ähnliche Finessen im Colorit, aber das maleri­sche Arrangement ist von einer Geschmacklosigkeit, welche an die Verirrungen des Pariser Modemalers Carolus Duran erinnert. Der eine Kopf muß sich von einem rosafarbenen Hintergrunde mit weißen Mustern losringen, während der Fond des anderen eine hellbraune Tapete mit granem Dessin zeigt. Vollends gar in die wüste Manier der früheren Zeit ist er auf einem Genrebilde ge­rathen, welches die Halbsiguren eines alten schwerhörigen Mannes und seiner Frau darstellt, die ihm einen Brief vorliest. Das Ganze sieht aus, als wären die Farben mit dem Spatel aufgestrichen. Man darf sich gar nicht erinnern, mit welcher Discretion Gussow die Lichter auf dem Bildnisse seiner Gattin auf­gesetzt hat, wenu man die dicken Massen von Kremser Weiß sieht, die über den Angenknochen und auf der Stirn der Frau, auf der Nase des Maunes uud am inneren Rande der vor ihnen auf eiuem Tische stehenden Kaffeetasse sitzen. Man kann sich noch so weit von dem Bilde entfernen, diese fetten, brutale» Lichter ordnen sich niemals dem Gesammttone unter.

Wir sind damit zur Betrachtung der Genremalerei gekommen, welche uns durch ein halbes Dutzend absoluter Treffer für die im ganzen doch ziem­lich trübe Physiognomie der Ausstellung entschädigen muß. Es sind nicht die Meister, die sonst die Führung zu übernehmen gewohnt sind, welche wir in diesem Jahre an erster Stelle zu erwähnen haben. Adolph MenzelsZurück­kehrende Procession" (Gasteiner Gegend) ist bei allem Respect vor dein Meister doch kein Bild im eigentlichen Sinne, sondern nur eine ganz zu­fällig zusammengestellte Sammlung höchst interessanter und charakteristischer Studien. Etwas weuiger Natur und ein wenig mehr Compvsitiou würde den jetzt sehr zerfahrenen Eindruck des Bildes wesentlich anders gestaltet haben. So sehen wir nichts als ein unordentliches Gedränge von Geistlichen, Meßdieneru, Chorknaben und Bauern uud im Vvrdergruude eine Gesellschaft von Tonristen und Badegästen, unter deneu sich manche mit satirischem Griffel gezeichnete Fignr befindet; aber dieses bunte Durcheiuauder, aus welchem sich nur einige rothe Töue wirksam hervorhebe», macht keinen coloristischen Gesammteindruck, der er­freulich wäre. Auch Knaus ist nicht der Würde seines Namens entsprechend vertreten. SeineUnwillkommene Kunde" ein Hnnd, der von einem Lehr- juugen verfolgt einer dicken Schlächtersfrau mit einem Stücke Fleisch davon­läuft ist nicht mit der dem Meister svust eigenen Virtuosität gemalt, uud