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Das Verbindungswesen auf den Gymnasien.
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Verbindung ein Stiftungsfest allein 540 Mark! Da dies nnr in seltenen Fällen von den Eltern fiir solche Zwecke verabreicht werden dürfte, so liegt hier ein neuer Anlaß zu Schwindeleien nnd Vorspiegelungen, zuweilen sogar zu uvch gröberer Unehrlichkeit.Daß ärmere Schüler sich erst durch Privatstundcn das für die Verbindung nothwendige Geld erwerben, ist ebenso wenig selten, als daß andere die aus unlden Stiftungen von 'der Schule empfangenen Unter­stützungen zu diesem Zwecke mißbrauchen."

Hat Pilger so viele positive Schattenseiten der gymnasialen Verbindungen aufgezeigt, so weist er andererseits auch die augebliche vorteilhafte Wirkung derselben zurück, daß sie nämlich ihre Mitgliederan eine wohlthätige Unter­ordnung unter ein Ganzes" gewöhnten. Mit Recht entgegnet er:Als ob zn dieser Gewöhnung uicht die Schicke täglich hinreichende Gelegenheit gäbe, ganz abgesehen davon, wie originell diese Unterordnung damit beginnt, daß man sich der Zugehörigkeit zu dem bedeutendsteu Ganzeu, das man bis dahin kennen gelernt/entzieht, um Glied eines von Eitelkeit und Genußsucht und Narrheit zusammengehaltenen Kreises zu werden!" ' In Eitelkeit und Genußsucht sieht er deun überhaupt die schlimmsten Wurzeln des dargestellten Uebels dessen Spuren er bis in das Jahr 1812 zurückverfolgen kann, wozu dann noch, harmloser als jene beiden, der jugendliche Geselligkeitstrieb komme. Daß jener hohlen Eitelkeit, welche sich groß weiß mit der Nachäffung studentischer Aenßer- lichkeiten, die als verbotene für den Schüler uoch einen besonderen Reiz haben, kein Zugeständnis zu machen ist, darin sind wir mit den Verfasser völlig ein- verstcmdeu. In einem Punkte können wir ihm aber auch wieder nicht ganz beipflichten. Wenn er die pädagogische Ansicht, welche die jugendlicheGenuß­sucht" dadurch iu deu rechten Schranken zu halten sucht, daß sie ihr den Besuch bestimmter öffentlicher Locale für gewisse Stunden freigiebt, als eine verfehlte und schlecht bewährte zu betrachten scheint, so müssen wir seine Auffassung uicht uur für zu rigorös, sondern geradezu für schief halten. Wenn der Primaner wünscht, auf der Straße raucheu und eine Restaurativu besucheu zu dürfen, so liegt dem nicht bloß materielle Genußsucht zu Grunde, sondern das Gefühl werdender Selbständigkeit, welches dasjenige Recht auch für sich begehrt, welches den Augehörigen minder gebildeter Stände schon in früheren Jahren gewährt zu werden Pflegt. Nun läßt sich ja wohl das Naturgesetz, daß die höchststeheu- deu Geschöpfe die langsamste Lebensentwicklung haben, bis auf einen gewissen Grad auch in der Erziehung zum Muster nehmeu, und es ist ja ein widerlicher Anblick, wenn ein Junge, dein der Cvnfirmandenrock noch in schlotternder Ueber­größe um den Leib hängt, schon seine Cigarre passt; aber allzu straff gespannt, zerspringt bekanntlich der Bogen, und nicht selten sind ja zu knapp uud eug gehaltene Gymnasiasten später einem verhängnisvollen Mißbrauch der akademi- scheu Freiheit verfallen. Durch maßvolle Zugeständnisse auf diesem Gebiete wird vielleicht gerade in Manchem die Lust an der geheimen Opposition des Verbindungslebens im Keime erstickt.

Als Förderer und Hehler des letzteren macht Pilger mit Recht die ver­schiedensten Gesellschaftsklassen verantwortlich. Eine große Rolle spielen dabei diealten Herren", namentlich in kleineren Städten, wo oft gerade die unreifsten unter denselben, die etwa aus der unvollendeten Schullaufbahn in Schreiber­stellungen oder in die kaufmännische Lehre übergetreten sind, den Ton anzu­geben, beziehentlich noch weiter herabzustimmen belieben. Ein weiteres Interesse haben an den Verbindungen natürlich die Geschäftsleute, welche Bäuder, Pfeifeu, Fechtzeug u. dgl. liefern, und die Wirthe, bei denen die Zusammenkünfte statt-