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stürzung im Gefolge gehabt hat, und daß aller Orten größere Besonnenheit und Ruhe walten muß, falls die so üppig emporschießenden Blüthen auch gute Früchte tragen sollen. Kunstgewerbemuseen und Fachschulen sind in so großer Zahl gegründet worden, daß vorläufig Einhalt gethan werden muß, um die Wirksamkeit der bestehenden zu erproben. Der Büchermarkt ist derartig mit kunstgewerblichen Publicationen überhäuft, daß die Consnmtionsfähigkeit der Jnteres- seuten nothwendig erlahmen muß, auch wenn ihr Geldbeutel so bedeutenden Ausgaben gewachsen wäre. Selbst ein so wohlfeiles Werk wie Hirths „Formenschatz", welches jedem Kunsthandwerker etwas bietet, findet bei weitem nicht den Absatz, den der Herausgeber mit Recht erwarte» durfte, um seine Opfer gedeckt, seine Mühe belohnt zu sehen. Noch lastet die geschäftliche Krisis, unter der wir schon seit sieben Jahren seufzen, wie ein Alp auf uns, und noch winkt uns keine Hoffnung, daß den sieben mageren Jahren sieben fette folgen werden, da die neue Wirthschaftspolitik der Regierung der Jahre bedürfen wird, um den erwarteten Segen wieder zu uns zurückströmen zu lassen.
Leichtsinnige Speculanten machen sich indessen die im Knnstgewerbe herrschende Strömung zn Nutze und schmuggeln unter der Firma der Renaissance Schundwaaren ein, die uns im Auslande ebenso leicht discreditiren können wie unsere früheren Producte, denen man auswärts Unbeholfenheit und Geschmacklosigkeit nachsagte. Man fängt schon hie und da an, von „Renaissanceschwindel" zu sprechen, und es muß leider zugegeben werden, daß die rasch aufeinanderfolgenden Kunst- uud GeWerbeausstellungen diesen „Renaissanceschwindel" auf die Beine gebracht haben. Ein Heer von Architekten, denen ein leichter, reichlicher Broderwerb besser zusagt als die zeitraubeuden Examina und die mühevolle Arbeit in den Baubüreaux, stellt sich willig in den Dienst der Industriellen und liefert ihnen Vorlagen ans Vorlagen, die leichtfertig, wie sie entworfen sind, auch ausgeführt werden. Das Publikum will, dem Schlagwort der Mode folgend, nur Renaissance haben, und so wird ihm denn auch von den Fabrikanten eine Renaissance geliefert, daß einem mitunter die Haare zn Berge stehen!
Ich bin weit entfernt, den ideellen Nutzen der Ausstellungen in Frage zu ziehen. Wenn man dieselben aber auf ihren rein praktischen Nutzen prüfen könnte, würde man, deß bin ich sicher, zu dem betrübenden Resultate kommen, daß bei den deutschen Gewerbeansstellungen die Bierwirthe die besten Geschäfte gemacht haben, und nächst den Bierwirthen diejenigen Gewerbetreibenden, welche so klug waren, billige Souvenirs herzustellen, die jeder Besucher gern mit nach Hause nahm. Für jeden Ort, in welchem eine solche Industrieausstellung stattfand, herrschte drei oder vier Monate lang ein fideles Leben. Man errichtete altdeutsche Wein- uud Bierstuben, veranstaltete Lotterien mit verlockenden Gewinnen, gab Concerte und spielte des Abends mit elektrischem Lichte. Dabei be-