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Die vierte allgemeine deutsche Kunstausstellung in Düsseldorf.
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füllen. Die Gestalten auf den beiden BildernDes Sohnes letzter Gruß" und »Vor dem Ausmarsch" sind wenig mehr als die Träger stattlicher Cvstüme. Aus ihren Gesichtern ist nichts herauszulesen. Erst die dürftige Notiz im Katalog giebt uns den Schlüssel des Vorgangs.

Wir haben uns bei den Düsseldorfer Künstlern etwas länger aufgehalten, weil uus eiuerseits die Ausstellung die erwünschte Gelegenheit bot, eine kurze Charakteristik von der augenblicklichen Physiognomie der Düsseldorfer Schule zu liefern, und weil andererseits die Düsseldorfer Maler die größte Zahl von Neuigkeiten zur Ausstellung beigesteuert haben. Die Berliner haben sich nicht im geringsten angestrengt. ' Außer einer venetianischen Maskenscene von Carl Becker, die in seiner bekannten coloristischen Bravour hingefegt ist, habe ich kein einziges nenes Bild aus einem Berliner Atelier bemerkt. Es genügt daher auch hier, eine Art Generalappell zu veranstalten und festzustellen, daß Kvn den hervorragenderen Berliner Künstlern A. v. Werner (durch den ersten Entwurf zur Kais'erproklaination, der viel glücklicher und lebendiger componirt lst als die spätere Ausführung, aber noch bunter und unruhiger in der Farbe), A. v. Heyden, Knille (durch seine herrlichen Friese für die Universitäts­bibliothek), Graef (durch zwei Portraits uud seiue reizendeFelieie", welche in Düsseldorf und bei den Wupperthalern gewaltiges Aergerniß erregt hat), Graeb, Eschke, P. Meyerheim, Steffeck, Wilberg, O. v. Kamecke, Körner, Breitbach, Pape u. a. vertreten sind, aber nicht so, daß sie die Gesammt- Physivguomie der Ausstellung zu ihren Gunsten beeinflussen könnten.

Die Bilder der Münchener Maler haben auch in Düsseldorf bestätigt, daß die Schule Pilotys durch die jüngere von Wilhelm Diez immer weiter ins Hintertreffen geschoben wird. Weitaus das beste Bild, welches von München nach Düsseldorf gekommen ist, wird August Holmberg verdankt, dem hoch­begabten Charaktermaler, dessen kurzes, aber erfolgreiches Wirken ich erst kürz­lich in denGrenzboten" (II. S. 475) besprochen habe. Sein neuestes Bild bezeichuet wieder einen bedeutenden Schritt vorwärts. Es führt uns in die Bücherei eines Klosters. Einige Mönche sind am Tische um ein Buch mit Miniaturen beschäftigt, die sie mit unverhohlener Frende betrachten. Sie haben eben das Monogramm des Malers entdeckt, und einer, der auf den Fußboden sitzt und in einem Folianten blättert, ein anderer, der sich an einem Schranke zu schaffen macht, scheinen der Entzifferung des Monogramms weiter nachzu­spüren. An dem hohen, weitgeöffneten Fenster, dnrch welches der Abendhimmel in das Zimmer hereinblickt, steht ein jnnger, blasser Mönch, der seine Augen Mit schmerzlicher Sehnsucht in die dnrch graue, verschwimmeude Nebel ihm ent­rückte Ferne schweifen läßt. Ein Contrast wie Faust und Wagner! Hier die stürmische, leidenschaftliche Liebe zur Natur, dort das stille Genügen an dem wdten Buchstaben, die innige Freude au dein gefundenen Zeichen, dem der Sinn fehlt! Mit bewunderungswürdiger Schärfe hat der Maler ein jedes Antlitz Mm Spiegel geistiger uud seelischer Regungen gemacht. Wie aus offenen Büchern lesen wir aus diesen Augesichtern die Spuren überwundener und noch tobender Kämpfe, die behagliche Zufriedenheit mit einer ruhigen Existenz, die Lust an dem gelehrten Treiben uud manches andere heraus. Und ebenso klar wie die Charakteristik ist die kernige, kräftige Färbung; um die körperhaft herausge­arbeiteten Gestalten schmiegt sich ein kühler Silberton, welcher dem ganzen Bilde den Reiz einer unbeschreiblich vornehmen Harmonie verleiht.

Auch Vietor Weis Haupt, ein Thiermaler, dessenWilder Stier", der in München lebhaft iuteressirte, ueben einer umfangreichenViehweide" in Düssel-