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sitzt ein alter Clown, der mechanisch ein auf seinen Knieen liegendes Kind mit der Saugflasche stillt, und rechts sitzt auf einem Koffer, die mit Tricot bekleideten Beine weit von sich gestreckt/ eine junge Schöne, welche fröstelnd ihre Glieder in ein buntes Tuch hüllt und lächelnd den Galanterieeu eines alten Gecken lauscht, der sich offenbar als Protector der Kunst bei ihr eiugesührt hat. An der Seite wird die Leinwand gerade aufgehoben, und ein Mohr steckt seinen Kopf hindurch, vermuthlich um die schöne Tänzerin auf die Scene zu rnfen. ,
Die Charakteristik der Köpfe ist so erschöpfend, so eindringlich, daß eM jeder gleich die ganze Lebensgeschichte seines Trägers erzählt: hier eine naive Koketterie, auf welcher noch der Hauch der Unschuld ruht, dort das faunische Lächeln des abgelebten Roues, und auf dem Antlitz des Clowns eine lange Historie von Enttäuschungen, Leiden und Entbehrungen, welche auf das hager^e Gesicht in tiefen Furchen eingegraben ist, die keine Schminke mehr verdeckt. Und dann fällt unser Blick wieder auf die Kinder, welche in sorgloser Heiterkeit noch nicht das Elend begreifen können, welches hinter den bunten Lappen lauert. Die ganze Magie des Helldunkels — es ist ein kühler Septemberabeud — hat der Meister aufgeboten, um die Scenerie mit coloristischen Reizen zu umspinuen, die nur der Feinschmecker vollauf zu würdige» weiß.
Vou einer Anzahl Düsseldorfer Künstler brauchen wir nur die Namen zu nennen und zu constatiren, daß sie die alten geblieben sind, da sich mit jedem von ihnen bereits ein fester Begriff verbunden hat, der nur wenigen Veränderungen unterworfen ist. Rudolf Jordan, der Maler des helgoländischen und holländischen Fischer- uud Schifferlebeus, Christian Kröner, Deutschlands bester Roth- und Schwarzwildmaler, C. F. Deiker, der ihm wohl an dramatischer Kraft, nicht aber an Feinheit der Durchführung und an landschaftlichem Sinn überlegen rst, Carl Jrmer, der stimmungsvolle Landschaften meist mit weidendem Rindvieh belebt, Albert Flamm, der in der Schilderung der italienischen Natur mit Oswald Achenbach rivalisirt, Adolf Seel, der treffliche Architectnren- maler, welcher in einem ägyptischen Apfelsmenmüdchen auch Schärfe des Blicks für ethnographische Charakteristik gezeigt hat, Gregor von Bachmann, der seine Landschaften aus-Esthland und Finnland iu einen eigenthümlichen silbergrauen Ton zu tauchen pflegt — alle sind mit Gemälden vertreten, welche ihre Eigenart ausreichend charakterisiren. Wenn wir von den jüngeren noch Wilhelm Beckmann, einen Historienmaler aus der Schule Bendemcmns, der zwel Episoden aus den Hussitenkriegen ausgestellt hat, den graziösen Costümmaler Vinc. St. Lerche, der für eine ganze Kategorie Düsseldorfer Maler als charakteristisches Specimen gelten kann, Jacob Leisten, der von einer unüberwindlichen Leidenschaft für Gelb uud Violett besessen ist, Carl Sohn und den flotten, kecken Norweger Hans Dahl nennen, so haben wir ein Bild von dem gegenwärtigen Stande der Düsseldorfer Malerei entworfen, zu dessen Vervollständigung uns nur noch zwei Striche fehlen, welche uns Kassel und Karlsruhe liefern. In Kassel wirkt an der dortigen Kunstakademie als Direktor Louis Kolitz, den wir schon oben als mittelmäßigen Porträtmaler nannten, der aber auf seinem eigentlichen Felde, dem der Kriegsmalerei, die alte Kraft und Frische bewahrt hat. Von Düsseldorf ist auch Carl Hoff ausgegangen, der gegenwärtig als Lehrer an der Kunstschule in Karlsruhe thätig ist. Während er sich'früher auf seinen Genrebildern, deren Motive meist dem 17. Jahrhundert entlehnt waren, in kleinen Dimensionen bewegte, malt er seit einiger Zeit Figuren in mehr als halber Lebensgröße uud erweitert demnach auch deu Umfang scincr Bilder. Aber es fehlt ihm die Kraft, die Köpfe mit seelischem Leben zu er-