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Das formale Element in der Musik.
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Gefilden, und wenn einmal ein ernsterer Ton angeschlagen wird, so sind's Wolken­schatten, welche nur für Momente den Glanz verdunkeln.

In einer Zeit wie der unserigen, wo der Repräsentant der romantischen Richtung zugleich das Haupt der Antiformalisten wie ein siegreicher König im Triumph durch die Welt zieht und mit Ehren überhäuft wird, haben wir nicht nöthig für diese Richtung einzutreten; im Gegentheil wird es, wenn wir bekennen, diesen Strömungen nicht feindlich gegenüber zu stehen, fondern uns gern selbst von ihnen mit treiben zu lassen, der cmsdrücklicheu Versicherung bedürfen, daß wir denuoch das Weseu der Musik nicht in der Fähigkeit sehen, dem Worte zu folgen nnd feine Bedeutung zu verstärken, d. h. also Gefühls­vorgänge oder gar äußere Ereignisse zu schildern, sondern vielmehr in ihren for­malen Principien als Kunst. Nicht das Lied, nicht die Programmsymphonie, sondern allein die absolute Musik kcmu uus Aufschluß geben über das Wesen der Musik selbst; nur in ihr wird sie frei und ungehemmt ihre Kräfte entfalten können. Es versteht sich von selbst, daß damit kein Tadel gegen jene Mischgattungen als solche ausgesprochen ist; nur werden wir zu der Annahme berechtigt sein, daß die Musik, wenn sie eine Verbindung mit den Schwesterkünsten eingeht, ihre volle Freiheit aufgiebt und gleichsam in Gütergemeinschaft mit jenen tritt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß damit die Möglichkeit gegeben ist, gelegent­lich großartiger und intensiver zu wirken, als die einzelne Kunst mit ihren bescheidneren Mitteln wirken kann; dennoch wird die Leistung der einzelnen Kunst, eben weil ihr die volle Freiheit fehlt, nicht hoch anzuschlagen sein, ja herausgenommen aus jenem Rahmen kann sie sogar dürftig und arm erscheinen.

Die Richtigkeit dieser Ansicht wird sich ergeben, wenn wir in Kürze die Fcictoren des specifisch musikalischen Eindrucks entwickeln, besonders aber die Aufmerksamkeit auf das formale Element in der Musik concentriren.

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Znnüchst haben wir als elementare Fcictoren zu unterscheiden die elemen­tare Wirkung des Rhythmus uud die elementare Wirknng der Melodie. Es ist eine bisher wohl kaum genügend beachtete Thatsache unseres Empfindens, daß für die Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge regelmäßiger Schläge oder Vewegungsstöße, z. B. für den Hin- und Hergang eines Pendels oder für das Anschlagen einer Glocke, für Hämmern, Klopfen u. dgl., eine ungefähr ab­gegrenzte Mitte existirt, nach deren beiden Seiten hin wir nicht die Empfindung des Schnelleren und Langsameren, sondern geradezu des Schnellen und Lang­samen haben. In einzelnen Fällen bestimmen freilich affociative Momente die Empfindung mit; so wird ein Pendel sich schnell zu bewegen scheinen, wenn es sich auffallend schneller bewegt als wir es von einem Pendel gewöhnt sind,