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glücklichste umgangen und die Aufmerksamkeit des Lesers bis zum Schluß festgehalten.
Das Aufsehe», welches die 1763 veröffentlichte erste Abtheilung des Gedichts, „Der Morgen", erregte, war ein allgemeines und völlig beispielloses. Obgleich der Autor sich von jeder persönlichen Jnvective ferngehalten hatte und niemand deu strieten Beweis hätte erbringen können, daß eine fürstliche Persönlichkeit, die man als das Original des Haupthelden bezeichnete, ihm wirklich eigens Modell gesessen, so sah doch jedermann in dieser typisch ausgeprägten Gestalt das sprechende Porträt eines mailändischen Junkers jener Tage.
„Mein junger Herr," so hebt der Dichter an, „mag das Blut aus eiuer laugen Reihe hocherhabeuer Leuden himmlisch rein in dir fließen, oder mögen die Fehler des Blutes durch erkaufte Ehren und durch Reichthümer aufgewogen werden — laß dich von mir belehren, wie du den Ueberdruß und die Langeweile dieser Erdentage vertreiben kannst. Was Morgens, Mittags, Abends deine Sorge sein müsse, wirst du von mir vernehmen, wenn anders dir in deinen Mußestunden noch Muße bleibt, meinen Versen Gehör zu schenken." Es folgt nun eine Schilderung des anbrechenden Morgens, in der das Treiben des Landmanns und des Handwerkers den wirksamen Contrast zu dem übermächtigen adlichen Schlemmer bildet, der zu später Stunde erwacht, sich von seinen Dienern Erquickungen ans Bett bringen läßt und den Lehrer „des zarten Idioms von der Seine" empsängt ... „Hasse die unreinen Lippen," so mahnt ihn der Dichter, „die sich noch zu beflecken wagen mit der Sprache, in welcher einstmals in Valchiusa Laura gepriesen ward." Dann wird die Toilette geschildert und der Held aufgefordert, an eine Gefährtin für den Tag zu denke«, natürlich an eine bereits vermählte Dame. Das bietet Veranlassung zur Ein- flechtung eiuer Fabel von Amor, der es bei seiner Mutter durchsetzt, daß er vou der Aufsicht seiues Bruders Hymen befreit wird und nie mehr in seiner Gesellschaft zu sein braucht — ein vernichtender Hieb gegen die Frivolität der schönen Welt Italiens, dessen Berechtigung Ugo Foscolo einmal englischen Lesern gegenüber sehr zutreffend betont. Beiläufig sei erwähnt, daß Parini mythologische Anspielungen und Nomenelaturen in ziemlich großem Umfange anwendet, was natürlich nicht ihm, sondern dem herrschenden Geschmack seiner Zeit zur Last zu legen ist. Von komischster Wirkung ist das Pathos, mit dem der Friseur aufgefordert wird, das ganze Maß seiner Geschicklichkeit an dem erhabenen Gönner aufzubieten, fein der Spott, mit dem der Dichter die Manie für das Ausländische geißelt, indem er seinem Helden empfiehlt, während der Frisur die französischen Modeschriftsteller zu durchblättern, Voltaire, „den vielgestaltigen Protens Frankreichs, den allzusehr getadelten und mit noch größerem Unrecht zu sehr gelobten" . . .