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zeichnet, sondern im allgemeinen mehr von den Leistungen früherer Epochen zehrt, als selbstschöpferische, bahnbrechende Geister aufweist, hat doch auf zwei bis dahiu sehr zurückgebliebenen Gebieten der Literatur Schöpfungen von bleibender Bedeutung hervorgebracht. Die tragische Kunst, die znvor auf italienischem Boden nicht über mehr oder weniger mißlungene Anläufe, über ein bloßes Experimentiren nach fremden Mustern gekommen war, fand in Vittorio Alfieri, dem hente leider von der eigenen Nation zu weuig gekannten, den Genius, der sie in neue Bahnen lenkte uud zum ersteu Male mit voller Würde auf dem Kothurn zu schreiteu lehrte. Das Lustspiel, das bereits erheblich früher eine verhältnißmäßig hohe Eutwickluug erreicht hatte, entbehrte dagegen eines Vertreters, der sich dem großen Tragiker ebenbürtig hätte zur Seite stellen köuneu; wird doch kann: jemand bestreiten wollen, was schon ein competenter Zeitgenosse von Goldonis Stücken sagte, daß höchstens vier oder fünf derselben eigentliche Komödien, die übrigen bloße Farcen seien, die bei aller zündenden Komik in künstlerischer Beziehung höhere Prätensivnen nicht erheben können. Wohl aber gab es noch ein Gebiet, auf welchem im 18. Jahrhundert neue Bahnen in Italien erschlossen wurden: es ist dies das Feld der Satire, das bisher, um von Geistern zweiten und dritten Ranges hier zu schweigen, nur von Ariost und Menzini, von jenem in leichtem und graziösem, von diesem in oft etwas ungelenkem und outrirtem Stile mit Erfolg bebaut, durch Giuseppe Pariui eine Wiederbelebung und Erneuerung erfuhr, die als eine epochemachende That in der italienischen Literaturgeschichte dasteht.
Um die Werke eines Satirikers zu verstehen, ist es mehr als bei irgend einem anderen Schriftsteller geboten, sich mit den Zeitverhältnissen, aus denen er hervorwuchs, sowie mit seinem Lebensgange vertrant zu machen, da nur dies eiuen sicheren Maßstab znr Beurtheilung seiner Schöpfungen darbietet. Parini erblickte als Kind einer armen, aber ehrbaren Familie am 22. Mai 1729 in dem kleinen, im Mailändischen gelegenen Flecken Bosisio das Licht der Welt. Von seinem Vater, der ihn zärtlich liebte, wurde der Knabe für den geistlichen Stand bestimmt und dem Gymnasium Areimboldi zu Mailand als Zögling übergeben, wo sich frühzeitig der philosophische und poetische Sinn in ihm regte. Seine kümmerliche Lage zwang ihn jedoch bald, sich — und nach des Vaters Tode auch der Mutter — als Copist und später als Zeitungsschreiber den Lebensunterhalt zu erwerbeu, wobei er indeß durch stete Leetüre der lateinischen und italienischen Klassiker sich geistig weiterzubilden bestrebt war. Von Jugend an schwach und kränklich, wäre er vielleicht den Anstrengungen und Entbehrungen einer so unsicheren Existenz erlegen, wenn er nicht 1754 durch eine Anstellung als Lehrer bei den aristokratischen Familien der Borrvmeo und Serbellvni einen materiellen Halt gefunden hätte. Damit erhielt er ferner zugleich die Gelegen-