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Eine neue Biographie Peters des Großen.
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zu beschränken und neue zu gewähren; auf diesem Boden bewegten sich Peters Reformen nnr in wenigen Fällen. Wohl machte er die Masse unzufrieden, weil er sie uicht zu Athem kommen ließ, neue Steuern, neue Dienste, unablässige Arbeit forderte; wohl erbitterte er die vornehmen Familien, deren Sohne er zwang auf Jahre ins Ausland zu gehen und im Schweiße ihres Angesichts Dinge zu lernen, von denen doch ihre Väter nichts gewußt hatten. Immer er­scheint er in erster Linie als der Erzieher seines Volkes. Leider fand dieser Erzieher keine Zeit, sich um seinen eigenen Sohn zu kümmern, er ließ ihn in geistig unbedeutender aber seinen Neueruugen abgewandter Umgebung answach- sen; so fiel der schwachbegabte Mensch wieder ins Altrussenthum zurück. Der Cvufliet mit den: Vater, die Flucht uud die Rückkehr, die Katastrophe machen einen überaus peinliche» Eindruck; Sympathie mit Alexei können sie nicht er­wecken, aber sie lassen auch deu Vater gefühllos, barbarisch erscheinen. Von einem tragischen Kampfe zwischen Vaterliebe und Regeutenpflicht ist keine Rede. Im Herzen war der Sohn längst abgethan, ehe er gestürzt wurde. Die wahr­scheinlichste Annahme über sein Ende ist die, daß er an den Folgen der Folte­rung noch an demselben Tage, wo er zum Tode verurtheilt wurde, gestorben ist. Eigentlich eonspiratorische Handlungen haben ihm nicht nachgewiesen werden können. Seine rebellische Handlungsweise gipfelte in der Desertion, in den gegen Peter bei Kaiser Karl VI. geführten Klagen, in einigen an die Senatoren und Kirchenfürsten gerichteten Schreiben.

Wie der Zar über sein Volk den Sieg davon trug, so blieb ihm derselbe auch auf dem Gebiete der auswärtigen Politik über seine Feinde. In seinen langen Kriegen sind die Haupteigenschaften, die ihn auszeichnen, seine unermüd­liche Thätigkeit, die durch keine Mißerfolge gelähmt wurde, der Glaube an seine Kraft, den eine Niederlage nur zu erhöhter Anstrengung anspornte, die Zähig­keit im Festhalten einmal gefaßter Pläne, die bis zur persönlichen Heuchelei sich steigernde Verschlagenheit. Feldherrngenie zeichnete ihn uicht aus. Was ihm !u Gute kam, war, daß die Nachbarreiche, die bisher dem Aufkommen der russi­schen Macht im Wege gestanden hatten, die Türkei, Schweden uud Polen im Niedergange begriffen waren. Erst nach Beendigung des nordischen Krieges nahm er den Kaisertitel an. Seine politische Stellung zu den anderen Mächten lst deutlich erkennbar, zu Preußen freundschaftlich, zu England feindlich, zum Kaiser unentschieden, zn Polen und Schweden herrisch, auch gegen Dänemark ömn Theil so, zu Frankreich und Spanien im Ganzen günstig.

Rußland hat sich in der Richtung, die Peter ihn: augewiesen, trotz einzelner Schwankuugen weiter bewegt; die Genossen, die ihn überlebten, die Regenten, die ihm folgten, haben nie ernstlich daran gedacht, diese Richtnng wieder fallen Z>u lassen, der beste Beweis, daß nicht Willkür sondern die geniale Erkeuntuiß