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inneren Entwicklung Rußland im 17. und 18. Jahrhundert gewidmet sind, so hat der Leser allen Grund, seinem erfahrenen Urtheil volles Vertrauen zu schenken.*) Das Buch ist zugleich lebhaft und anziehend geschrieben, und die Persönlichkeit des Helden bleibt auch iu ihrer Entkleidung von so vielen romanhaften Zuthaten doch vom ersten bis zum letzten Blatte überaus merkwürdig und fesselnd.
Peter hat als Knabe und als Jüngling keine außerordentlichen Eigenschaften entwickelt. Die Soldatenspiele in Presbrashensk sind historisch, aber ohne tiefere Bedeutung. Der Genfer Lefort, der dabei Peters Lehrmeisters gewesen sein und ihn schon frühzeitig mit der westeuropäischen Cultur vertraut gemacht haben soll, ist mit Peter überhaupt erst nach der Revolution von 1689 bekannt geworden. In dem Drama dieser Revolution, die Peter zum Alleinherrscher gemacht hat, hat er selbst, der siebzehnjährige, noch keine besondere Heldenrolle gespielt. Er hat auch nach dem Sturze der Regentin, seiner Schwester Sophia, in den ersten Jahren die Leitung der Regierungsgeschäfte uicht persönlich in die Hand genommen. Der rücksichtslose Herrscher, der später sein ganzes Reich und Volk nach seinei: eigensten Ideen umwandelte, hat lange Jahre einzig und allein aufs Lernen verwendet. Sehr glücklich bezeichnet daher der Verfasser die beiden ersten Bücher seines Werkes mit dem Titel „Lehr- und Wanderjahre". Die Bildung, die sich Peter in dieser Zeit erwarb, ist eine durchaus realistische, technische, er hatte immer nur ausschließlich das praktische Interesse im Auge, mit einer schier enthusiastischen Vorliebe für das Seewesen. Seine Lehrer suchte er sich selber, wo er sie fand, unbekümmert um die Traditionen des Hofes und das Urtheil seiner russischen Umgebung, einzig nach dem Gesichtspunkte, ob er von ihnen etwas lernen konnte. Diese eigene Gestaltung seines Bildungsganges ist die erste Aeußerung seiner Selbstherrschernatur. Sein Lerneifer, seine Anstelligkeit für alle Gebiete der Technik, sein Verständniß für die dieselbe fördernden Wissenschaften, sein Thätigkeitstrieb, seine Arbeitskraft, überhaupt die Spannkraft seiner Natur sind ganz außerordentlich und müssen mit höchster Bewunderung erfüllen. Nie war es ihm genug zu erfahren, wie eine Sache gemacht wurde, immer wollte er sie selbst machen können. Alles lernte er so von Grund auf. Daß er geradezu ausschließlich von Ausländern lernte, ist bekannt; viel Interessantes erfahren wir aus Brückners Buche über seinen Verkehr mit der „deutschen Vorstadt" Moskaus, der Ausländer-Colonie iu der russischen Hauptstadt, in der das regste Leben im westeuropäischen Stile herrschte.
Aus A, Brückners Feder stammte auch die treffliche Arbeit über den Sohn Peters des Großen, den Zarewitsch Alexei, die wir in Nr. 16 d, Bl. unseren Lesern empfohlen haben. D. Red.