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schade des Ganzen und des Einzelnen, aber gerade die Schule kann ihn am sichersten ausfüllen, uud für alles eigentlich Menschliche, das ja eben mit dem Alltäglichen eins ist, am leichtesten im deutschen Unterricht."
Solcher Fälle ließen sich Hunderte ausmalen, die auch dem Ungläubigsten die Ueberzeugung schaffen müssen, daß, wo der Unterricht so betrieben wird, „auch in der Schule das Leben allenthalben aus dem Boden quellen kann eben an der Hand des deutschen Unterrichts und die dumpfe Klasse mit frischer Luft und Lust erfüllen." Wie ganz anders wird der Schüler — nur der ganz stumpfe nicht — auch im Leben das Wort, das wie jenes mild in der ganzen Lebensfülle seiner Innerlichkeit in der Schule in ihm eingezogen ist, ja eben nicht das Wort, die Sache angucken bei jedem neuen Begegnen, wie ein leibhaftiges freundliches Menschenbild, vertraulich wie einen alten guten Freund begrüßen, bei dessen Wiedersehen es einem wohl und weit wird um's Herz. Die Stunden wären gewiß nicht vergessen, nicht verloren; und der Lehrer? Hochbedeutsam konnte mancher solcher Augenblicke im Leben des Einzelnen gar noch werden, in denen es dem Lehrer glückte, aus dem tiefsten, reinsten Innern des Kleinen den Begriff, aber den wirklichen lebendigen Begriff herauszuheben, ihn auszufüllen mit frischem Leben von sich und so wieder als volleren, reicheren, noch innerlicheren Besitz in die junge Seele zurückzustellen, um von hier aus als echter Lebenssaft gleichsam weiter zu wachsen. Das wäre eine Mitgift für's Leben, und die bloße Erinnerung an solch eine Weihestunde, in der ihm ein wichtiges Wort erst Leben gewann, könnte wohl gar im irregehenden Leben plötzlich als helfender, rettender Engel neben ihn hintreten. Ein Unterricht, der den Samen zu solchen Früchten ausstreut, dürfte wohl Manchem schätzbarer erscheinen, als ein anderer, der dieselbe Wirkung erzielen sollte und nur selten wirklich erzielt. Das ganze Gcmüthsleben mit seinem manmgfaltigen Inhalt würde so das Arbeitsfeld des Deutschlehrers. Leicht ist das freilich nicht, wenigstens nicht zu allen Stunden; es erfordert vom Lehrer nicht nur reine Begeisterung, sondern auch volle Frische des Geistes, der Rede und des Körpers, will er seine Aufgabe sicher erfassen. Eine solche Behandlung vollends, wie wir sie Hildebrand bei dem Worte „mild" anwenden sehen, läßt sich ohne eine Art Weihestimmung im Lehrer nicht denken. Und doch auch wieder, woher kann der Lehrer wohl leichter und sicherer Erfrischung, Erquickung, Neubelebung der durch trockeneren Unterrichtsstoff ermüdeten Kräfte schöpfen als aus so einem vollen Ausathmen des ganzen Menschen, wie nur dieser Unterricht — fo gehandhabt -— es ihm gestattet.
Auch im grammatischen Unterricht „muß der alte hohle Formalismus, dies Kind des abstrakten Verstandes durch ein lebensvolles Verfahren zu ersetzen sein, daß nicht Leere und Langeweile, sondern Theilnahme und Neugier und