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Vom deutschen Unterrichte und von deutscher Bildung.
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lehrten, der durch eine fast 25 jährige Arbeit an dem Nationalwerke des Grimm- schen Wörterbuchs den Lesern dieser Blätter längst bekannt ist. Es wird in dieser Schrift eine Angelegenheit von so allgemeinem, weil nationalem Interesse behandelt, daß wir die Verpflichtung zu einem ausführlicheren Berichte über dieselbe nicht abweisen können. Ihre meisterhafte, vom frischesten Leben be­seelte Darstellung beweist, daß es dem Ernste und der Würde des Gegen­standes nicht schadet, wenn dergleichen Dinge einmal nicht in dem trockenen Tone akademischer Schulsprache behandelt werden. Gerade in der herzlichen Innigkeit, in der schlichten, schönen Einfalt der Sprache liegt zum Theil das Geheimniß der Wirkung, die diese Schrift auf jeden ausüben muß, dem die Sprache der Wahrheit und Natur verständlich ist. Man mag wollen oder nicht, man muß den Mann liebgewinnen, dessen Worte solchen Seelenadel und solche Gemüthstiefe bekunden. Und wie der sittliche Ernst und die Hoheit der Ge­sinnung uns mit Verehrung für den Menschen erfüllen, so wohlthuend wirkt der feine, treffende und dabei gutmüthige Humor, mit dein der Verfasser in seine ernsten Betrachtungen anmuthigste Abwechslung zu bringen weiß.

Die Grundgedanken, an die Hildebrand seine prüfenden Bemerkungen und Erläuterungen anknüpft, find so einfach uud selbstverständlich, in der Theorie eigentlich auch schon so anerkannt, daß man sich nur wundern kann, wie es so schwer ist, in der Praxis sie durchzukämpfen. Wie natürlich klingt doch die Forderung:Der Sprachunterricht sollte mit der Sprache zugleich den Inhalt der Sprache voll und frisch und warm erfassen!" Es ist nichts Kleines, was mit der Erfüllung dieser Forderung erreicht wäre. Statt bloßer leerer Worte die lebendige, mit Inhalt erfüllte Sache! Damit würde schon in der Schule der hohlen, klingenden Phrase, die sich im Leben oft so unheilvoll breit macht, die Wurzel abgeschnitten und nicht minder der frühzeitigen, ungesunden Abstrac- tion, die das frische Leben tödtet; fort wäre der kalte, leere Formalismus, der die Dinge bloß verstandesmäßig anfnimmt, statt sie mit dem innersten Interesse des ganzen Menschen zu ergreifen, sich lebendig zu eigen zu machen. Und was wäre erst gewonnen, wennder Lehrer nichts mehr lehrte, was die Schüler selbst aus sich finden können, wenn er sie alles das unter feiner Leitung finden ließe!" Dann wäre es aus mit der knechtenden Herrschaft des Ge­dächtnisfes, dassich nur erdrückend, überschüttend, Bewegung hemmend über den Geist lagert". Was Hildebrand zur Begründung der angeführten Sätze und über ihre Bedeutuug für die ganze Gemüths- und Charakterbildung einer nach solchen Grundsätzen unterrichteten und erzogenen Jugend sagt, sind goldene Worte. Was manchem wohl oft wie viel zu hoch gegriffen oder wie traum­haft unmöglich oder gar wie revolutionär aussieht, das gelingt ihmans Theorie und Erfahrung als das Einfachste, Nächste, Sicherste zn erweisen".