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Politische Briefe : 15. Der Ausgang der kirchenpolitischen Verhandlungen.
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geniales Rechnen und allein den Namen verdienende,Realpolitik^ war, und da­gegen Dinge für ernsthafte und wichtige Potenzen, die im entscheidenden Angen- blick wie Seifenblasen zerrannen." Bei dieser Stimmung der nationalliberaleu Partei mußte es noch als ein Gewinn erscheinen, daß wenigstens ein großer Theil derselben unter Führung des Herrn v. Bennigsen sich entschloß, der aller­dings wesentlich verkürzten Vorlage zuzustimmen. Um wenigstens für die von den Nationalliberalen angenommenen Theile eine Mehrheit zu gewiuuen, mußten die Conservativen sich den nationalliberalen Forderungen anschließen.

Unstreitig hat die Vorlage als Mittel für den Zweck, dein sie dienen sollte, viel verloren. Die Regierung wollte sich damit in den Stand setzen, entweder den Gegner auf eine Weise ins Unrecht zu setzen, welche zu den taubsteil Ohreu schreien mußte, oder aber den Gegner zu nöthigen, sich halb widerwillig, halb freiwillig auf den Weg des inoäus vivönäi zu begeben. Dieser Zweck kann mit dem Gesetze, wie es geworden ist, uicht mehr erreicht werden. Dennoch hat die Vorlage einen großen Dienst geleistet. Vorläufig scheint sie zwar die Confusion der Meinungen auf den Gipfel gebracht zu haben. Aber die geblen­deten Augen werden doch bald wieder sehen lernen; dann werden sie sehen, daß wiederum ein Helles Licht gefallen ist auf die Ursachen des Culturkampfes, die schon völlig im Dunkeln lagen. In diesem Augenblicke hat man freilich ver­gessen, was noch gestern von den Dächern gepredigt wurde: die Regierung habe mit der Maigesetzgebung eigentlich ein überflüssiges und mißlungenes Werk unternommen. Dagegen erkennt man nun wieder im hellsten Lichte einerseits die ungeheuere Herrschsucht der Curie, sowie die beispiellose Doppelzüngigkeit ihres parlamentarischen Werkzeuges, des Centrums, auf der anderen Seite die Nothwendigkeit der Selbstverteidigung des Staates, sowohl im unmittelbaren Interesse des letzteren, aber noch mehr in dem mittelbaren Interesse des Schutzes des evangelischen Glaubens, welcher der wahre Schöpfer des modernen Staates gewesen ist und sein wahrer Erhalter bleiben wird.

Wollten die Nationalliberalen die Regierungsvorlage verwerfen, so müßten sie es nicht mit Gründen lächerlichen Mißtrauens oder formaler Juristerei thun, sondern mit dem Ehrgefühl des evangelischen Bewußtseins. Im Namen des­selben mußten sie sich bereit erklären, dem Staate so kräftige Stützen gegen Rom zu bieten, daß der Staat die diplomatischen Waffen entbehrlich finden konnte, deren Gebrauch an sich im Kampfe mit einer durch und durch irdischen und deutsch-feindlichen Macht völlig erlaubt ist.