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gefügt hätte. Es wäre freilich ein großer Vortheil gewesen, wenn das in einer Reihe von Fällen leibhaftig zum Vorschein gekommen wäre. Um diesen Vortheil haben uns die braven Nationalliberalen gebracht, welche bereits jeden Bischof im Triumph einziehen und Bismarck zu Fuße und barhaupt hinter dem Wagen des Triumphators einhergehen sahen. Was diese wackeren Herzen für eine Furcht der Phantasie und eine Phantasie der Furcht haben, das ist beinahe das erstaunlichste Phänomen der Gegenwart.
Damit kommen wir auf die unbeschreibliche Verwirrung, welche die kirchenpolitische Verhandlung zurückgelassen, hauptsächlich deshalb zurückgelassen, weil die Nationalliberalen den Zug nicht begreifen können, der mit der Regierungsvorlage gethan werden sollte.
Die Staatsregieruug stieß gleich nach der Einbringung ihrer Vorlage auf einen aus ganz verschiedenen Motiven hervorgehenden Widerstand des Centrnms einerseits, der nationalliberalen Partei andererseits. Das Centrum, welches zuweilen leugnet, eine kirchliche Partei zn sein, und den Anspruch auf die Rolle einer politischen Partei erhebt, konnte nicht den mindesten Grund haben, eine Vorlage abzulehnen, welche der katholischen Geistlichkeit und Bevölkerung große Erleichterungen in Aussicht stellte. Es war doch nicht Sache des Centrnms, als einer angeblich politischen Partei, die Principien der päpstlichen Ansprüche zu wahren, und überdies enthielt die Vorlage in der von der Regierung vorgeschlagenen Fassung nirgend eine ausdrückliche Anerkennung der Maigesetzgebung, welche in der Vorlage nur als faktischer Zustand vorausgesetzt werden mußte. Hätte nun das Centrum im Verein mit den Conservativen, welche bereit waren, die unveränderte Regierungsvorlage anzunehmen, und denen sich auch ein großer Theil der Freiconservativen angeschlossen haben würde, ebenfalls für die uu- verüuderte Annahme gewirkt, so würde die letztere unzweifelhaft haben erfolgen können. Die Regierung freilich konnte nicht auf dieses Resultat allein hinwirken. Ihr mnßte die Zustimmung der Nationalliberalen in diesem Falle von hohem Werthe sein, denn das Gesetz durfte nicht im Lichte eines Zurückweichens des Staates und noch weniger im Lichte einer Befestigung des Centrums und einer regierungsseitigen Annäherung an dasselbe erscheinen. Denn das Centrum stellt eine in jedem Staate unzulässige Parteibildung dar: eine Parteibildung nämlich welche unter dem Borwcmde, die römische Kirche gegen Verfolgung zu vertheidigen, alle Elemente der staatlichen und socialen Opposition sammelt, und welche dann doch, selbst bei einer eventuellen Aussöhnung des Staates mit der Curie, erklärt, um ihrer politischen Grundsätze willen von der Opposition nicht'ablassen zu können und für die, wenn augenblicklich auch nicht angegriffene, so doch immer gefährdete Kirche auf dem Posten bleiben zu müssen- Dem Centrum gelingt es aus diese Weise, gläubige Katholiken zu Wählern staatsfeindlicher