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Wenn das Lebenslicht des Staates von diesen sechs Artikeln auszublasen ist, dann mnß es sehr schwach sein. Gegen die drei Artikel ohne Endtermin ist gar nichts einzuwenden, von den dreien mit Endtermin könnte man die Erlas- snng des Eides und die Ablieferung der Staatsleistungen ohne völligen Gehorsam beanstanden, wenn die Sache nicht schon im December nächsten Jahres ein Ende hätte. Die wieder aufgenommeuen Staatsleistungen können überdies schon vorher, wenn die Empfänger sich unwerth zeigen, wieder entzogen werden, und die Bisthumsverweser kann man, auch wenn sie den Eid nicht geleistet haben, wegen Ungehorsams gegen die Staatsgesetze unfähig zur Ausführung ihres Auftrags durch den Staatsgerichtshof erklären lassen.
Verloren ist durch diese gewonneuen Artikel also nichts. Ist aber etwas damit gewonnen? — Etwas immerhin. Dadurch, daß der Staat bloß die Ausübung der Kircheuämter abzuerkennen beansprucht, beseitigt er den Vorwurf, in die römische Glaubenslehre einzugreifen; durch Erleichterung aushelfender Vollziehung von Amtshandlungen beseitigt er den Vorwurf unnützer Härte, ebenso durch Gestattung der Thätigkeit der Krankenpflegeorden. Durch die Eideserlas- sung und Wiederaufnahme von Staatsleistungen in gewissen Fällen kann er bei einer versöhnlichen Disposition einzelner Kleriker, deren Vorhandensein sich nicht absolut bestreiteu läßt, dem deutschen Klerus den ersten Schritt erleichtern, der bekanntlich immer der schwerste ist. Wer weiß, ob ein solcher Schritt nicht selbst in Rom, wo man ihn bei Leibe nicht gutheißt, doch mit einer Art von Gunst oder Hoffnung betrachtet wird? Das sind äußerst vage Hoffnungen, aber wenn sie sich nicht erfüllen, so schadet anch die Möglichkeit nicht, die man einen Augenblick geschaffen, daß sie sich erfüllen könnten.
Hat man dagegen an den verlorenen fünf Artikeln viel verloren? — An dem Artikel, welcher die Berufung der Kleriker gegen kirchliche Diseiplinarstrafen beschränken wollte, ist nichts verloren, weil die Kleriker so wie so von der Berufung keinen Gebrauch machen. An dem Artikel, welcher die Präsentations- befugniß der Patrone oder Gemeinden bei Erledigung kirchlicher Aemter beschränken wollte, ist auch nichts verloren, aus demselben Grunde wie bei dem vorigen, weil Niemand präsentirt. Endlich ist auch an dem Artikel, welcher die anderweite Regelung des Vorsitzes im Kirchenvorstande katholischer Gemeinden dem königlichen Verordnungsrechte anheimgeben wollte, nichts verloren, weil diese Vorstände tvdtgeborene Kinder sind. Dagegen ist allerdings etwas verloren an dem Dispensationsparagraphen, weil man dnrch zeitweisen Nachlaß von den Anstellungsbedingungen des geistlichen Amtes vielleicht gehorsame Geistliche hätte bekommen können. Der Bischofsparagraph endlich hat schon einen wesentlichen Dienst gethan dadurch, daß er eingebracht worden. Man hätte doch keinen Bischof begnadigen können, weil keiner sich den Bedingungen der Begnadigung Greuzboten III. 1380. ll