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scheinlich sehr überschätzt wird. Reiterei ist darunter wenig, aber an Artillerie mit Geschützen leidet die Heeresmacht der Liga nach jenem Gewährsmann keinen Mangel. Zu gleicher Zeit mit der Bildung einer Armee machte auch die Organisation der Verwaltung auf nationaler Basis Fortschritte; aber immer noch hielt die Pforte an ihrer Forderung fest, daß die Liga ihren muselmännischen Charakter bewahre, und so wurde das Anerbieten der katholischen Malisorenstämme, die sich derselben im Spätherbst 1878 anschließen wollten, vorläufig abgelehnt.
Gleich anfangs legten die Führer des Bundes beachtenswerthe Proben politischer und strategischer Befähigung ab. Leute von der Familie Heißsporn, exaltirte Kopfe, vielleicht auch Agenteu der Pforte versuchten sie zn bestimmen, sich am Widerstande der Bosniaken gegen die österreichische Occupation des nordöstlichen Nachbarlandes zu betheiligen, aber man begriff, daß man sich die Großmacht Oesterreich-Ungarn nicht zur Feindin machen dürfe, und daß der bosnische Ausstand ein völlig aussichtsloses Unternehmen war, mit dessen Unterstü- tzuug mau seine Mittel nur verschwendet hätte, und so wurden die Versucher abge- wieseu. Schou damals also bekundeten die Chefs der Liga, daß sie die Alba- nesen als nur soweit mit der muselmännischen Sache solidarisch verbunden erachteten, als es sich um ihre eigenen Interessen handelte. Wenn sie bei der Frage wegen Einverleibung von Plawa und Gnssinje in Montenegro anders verfuhren, so lag hier eben die ganze Angelegenheit anders. Allerdings war die große Mehrzahl der Bewohner dieser Landstriche slavisch, d. h. serbisch wie die Montenegriner. Aber einmal hatte man hier mehr Aussicht auf Erfolg, da Montenegro keine Großmacht war, und sodann hat der Berg Kom, der mit dem Glieb die Wasserscheide zwischen der Adria und den Zuflüssen der Donau bildet und sich im Bezirk von Plawa befindet, bei seiner Hohe von 2850 Metern große militärische Bedeutung. Derselbe legt sich vor diesen Theil von Nordalbanien wie ein natürliches Bollwerk und hebt bis zu einem gewissen Punkte den Nachtheil des Debouches zwischen dem Gebirge und dem Skntari-See auf.
Wie die Liga eine Zeit lang das Bündniß mit den katholischen Clans im Norden nnd in der Mitte Albaniens abgelehnt hatte, so war sie bis zu Anfang des vorigen Jahres anch mit den muhammedmischen Tosken im Süden nicht in Verbindung getreten. Jetzt änderte sich dies. Zu Prevesa fand eine Conferenz zwischen griechischen und türkischen Commissären statt, zu welcher der türkische General Muktar Pascha uud der Albauese Abeddin Bei als Bevollmächtigte der Pforte eintrafen. Bald aber ergab sich, daß dieselben weniger den Zweck einer Verständigung mit Griechenland als die Organisation eines kräftigen Widerstandes der südalbanesischen Bevölkerung gegen den Versuch der griechischen Regierung, sich uach dcu Vorschlägen Frankreichs in diesen Gegenden zn vergrößern, im