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mit Deutschland und vor Allem der hervorragende Antheil, welchen das Elsaß an dem Wohl und Wehe des Reiches gehabt hat, eine besondere Berücksichtigung finde. „Bei näherer Betrachtung und bei der Bearbeitung des reichhaltigen Stoffes von jenem Gesichtspunkte aus ergab sich naturgemäß eine Dreitheilung der deutschen Geschichte," deren erste Epoche bis zu dem römisch-deutschen Kaiserthum Heinrichs III., „wo Deutschland nicht nur der politische Mittelpuukt Europas war, sondern auch den kirchlichen Verhältnissen entscheidende Richtung und Gestaltung gab", führt. Die Darstellung „des Sinkens der Machtstellung Deutschlands von Kaiser Heinrich III. bis Ferdinand III." füllt die zweite Periode, während „die dritte mit der Regierung Friedrich Wilhelms, des großen Kurfürsten, ihren Ansang nimmt und mit der Wiedergewinnung der Reichslande, sowie der Gründung des erblichen Kaisertums der Hohenzollern ihren naturgemäßen Abschluß für die Gegenwart findet." Zugleich soll sich die Darstellung von anderen ähnlichen dadurch unterscheiden, daß sie — „und auch das ist unter der Einwirkung der Zeitereignisse geschehen," — der geschichtlichen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche eine besondere Berücksichtigung zuwendet. Wie der Verfasser seine Aufgabe lösen wird, läßt sich nach den ersten beiden Lieferungen seines Buches noch nicht beurtheilen. Jedenfalls wird er sich davor zu hüten haben, über das Maß hinaus in einer „Geschichte der Deutschen" uoch besondere Nebenzwecke zu verfolgen. Der Geschichtsunterricht, den Besse an einer reichsländischen Anstalt giebt, und dem er „dein Hauptinhalte nach" das jetzt Gebotene entnimmt, muß selbstverständlich mehr als irgendwo die Geschichte von Elsaß-Lothringen ins Auge fassen. In einer deutschen Geschichte aber, „die zugleich auf einen größereu gebildeten Leserkreis berechnet ist und außer dem pädagogischen einem nationalen Zwecke diesseits und jenseits des Rheines dienen soll", kann und darf das Reichsland nur die unter den anderen Provinzen ihm gebührende Stellung einnehmen. Wer über Elsaß-Lothringen genauer unterrichtet sein will, der greife getrost nach Lorenz und Scherer oder nach Huhn, um von anderen zu schweigen. Wir können es daher auch nicht gutheißen, wenn Besse, abweichend von dem gewöhnlichen Brauche, mit Rücksicht auf die Reichslande die deutsche Geschichte in drei Perioden eintheilt, eine Eintheilung, die in jeder Beziehung ungerechtfertigt ist. Der Verfasser gedenkt übrigens später auch der zweiten und dritten Periode eine Darstellung zu widmen.
Die beiden ersten Hefte des vorliegenden Buches führen von den Wanderungen der Germanen bis zu dein Majorat der Pippiniden. Was wir lesen, ist nach den besten Hilfsmitteln meist anregend und übersichtlich geschrieben. Ungern vermissen wir eine Schilderung des häuslichen Lebens der Germanen, ihrer politischen Einrichtungen, ihres Heerwesens und der Religion, wie sie David Müller in seiner vielverbreiteten Geschichte des deutschen Volkes, und neuerdings Wilhelm Müller in seiner deutschen Geschichte bei wesentlich kürzerer Fassung zu geben für nothwendig erachteten. Das Culturgeschichtliche kann unmöglich „im engsten Anschlüsse an die politische Geschichte" genügend behandelt werden, es verlangt getrennte Darstellung; daß es diese nicht findet, ist ein Mangel des Buches, der bei weiterem Fortschreiten sich immer auffälliger fühlbar machen wird.
Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.