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Literatur.

Goethe-Jahrbuch. Herausgegeben von Dr. Ludwig Geiger. Erster Band. Frankfurt a. M., Liter. Anstalt (Rütten & Loening), 1880.

Soeben ist der schon seit Wochen mit froher Spannung erwartete erste Band des von L.Geiger ins Leben gerufenenGoethe-Jahrbuchs" ausgegeben worden, und wir beeilen uns, unsern Lesern von diesem erfreulichen literarischen Ereignis; Kunde zu geben. Eine Wochenschrift wie dieGrenzboten", die in den achtunddreißig Jahren ihres Bestehens so manchen werthvollen Beitrag zur Goetheforschung ge­spendet hat, hätte eigentlich alle Ursache gehabt, die Veranstaltung einesGoethe- Jahrbuchs" mit neidischen Blicken zu begleiten. Auch dieGrenzboten" haben ja redlich derStillen Gemeinde" gedient, haben oft genugclassische Findlinge" zur Goetheliteratur gespendet, oft den 28. August uud den 22. März andächtig begangen, und es ist ihnen immer gewesen, als hätte ein besonderer Glanz auf denjenigen unter den grünen Heften gelegen, die mit Goethes Namen geschmückt werden konnten. Das wird vermuthlich in Zukunft anders werden. Nachdem spät genug, aber doch glücklicherweise noch nicht zu spät ein besonderes Organ für die Goethe­forschung geschaffen ist, ist zu erwarten und auch nur zu wünschen, daß wenigstens alle Originalbeiträge zu derselben mehr und mehr von der Zeitschriftenliteratur ab­fallen und von dem neugeschaffenen Centralorgan angezogen werden. So sehr wir dies aber auch vom Standpunkte derGrenzboten" bedauern möchten, so sehr freuen wir uns darüber im Interesse der Sache. Es wurde die höchste Zeit, daß dem zersplitternden Material wenigstens die Möglichkeit geboten wurde, zusammenzu­bleiben. Ohnehin wird daneben, wenigstens in den nächsten Jahren, noch genug Material andere Canäle aufsuchen, um an die Öffentlichkeit zu gelangen.

DasGoethe-Jahrbuch" soll in Zukunft regelmäßig am 22. März ausgegeben werden; für diesmal hat sich die Vollendung oder dieFertigstellung", wie der schöne, neue Modeausdruck lautet um einige Wochen verzögert. Der Inhalt soll, wie es bereits in dem vorliegenden ersten Bande der Fall ist, stets aus fol­genden vier Abtheilungen bestehen: 1. Abhandlungen; 2. Forschungen; 3. Neue Mittheilungen; 4. Miscellen, Chronik, Bibliographie. In denAbhandlungen" (Vorträgen, Aufsätzen) sollenallgemeine auf Goethe bezügliche Fragen erörtert, über den Stand der Goetheforschung Bericht erstattet und namentlich dem größern ge­bildeten Publikum, das noch immer an eine oberflächliche Art der Literaturbehand­lung gewöhnt ist, durch formvollendete und inhaltsreiche Aufsätze die Möglichkeit gewährt werden, in das Getriebe der ernsten Arbeit hineinzublicken". DieFor­schungen" werden sich über Textfragen und über Entstehung und Zusammenhang Goethescher Werke verbreiten und Beiträge zur Erklärung der letzteren, sowie Nach­forschungen über einzelne Lebensereignisse des Dichters und der ihm nahestehenden Persönlichkeiten bringen. Unter denNeuen Mittheilungen" soll alles bisher unge­druckte Material vereinigt werden, Briefe und Actenstttcke, welche von Goethe ge­schrieben oder an ihn gerichtet sind, Documentc, welche auf ihn, seine Frennde und Feinde, die Kreise, in denen er sich bewegt, und die Personen, die er beeinflußt hat, Bezug haben.

Am deutlichsten springt der Nutzen desJahrbuchs" bei denNeuen Mit­theilungen" in die Augen. Der vorliegende Band enthält unter dieser Abtheilung nicht weniger als 36 Briefe Goethes aus dem Jahren 17891831, zu denen dreizehn Mitarbeiter beigesteuert haben. Ohne dasJahrbuch" würden diese Briefe möglicherweise an dreizehn verschiedenen Orten veröffentlicht worden sein! Selbst-