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Politische Briefe : 12. Von Hamburg nach Rom.
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und gründlichste Weise das hamburgische Freihafenrecht zu beseitigen. Und Herrn Delbrücks Weisheit fand Gläubige. Eine Majorität des Reichstages, deren Kern, wie bei allen oppositionellen Majoritäten, das Centrum bildete, fand, daß der Bundesrath auf einmal nicht mehr das Recht habe, die Localität der Greuzcontrole im Zollgebiete festzusetzen, obwohl dies Recht sogar auf der Elbe und sogar unter Herrn Delbrücks geschäftlicher Leituug vom Bundesrathe unbeanstandet geübt worden war. Mit dieser Schmälerung der Rechte des Bundesrathes erklärte der Reichskanzler am 8. Mai die Elbschifffahrtsacte nicht annehmen zu können und es lieber bei den unübersichtlichen Regeln des bis­herigen Zustandes belassen zu wollen, welche den Bundesrath, d. h. die Reichs- executivgewalt, in seiner natürlichen Befugniß nicht beschränken. Die oppositio­nelle Mehrheit hat darauf Sorge getragen, die Frage in der Schwebe zu lassen, was praktisch auf die Ablehnung der Elbschifffahrtsacte hinausläuft. Denn auch dann, wenn diese Ablehnung formell erfolgt wäre, könnte ja das Gesetz dem nächsten Reichstage wieder vorgelegt werden, wie es jetzt auch geschehen muß, wenn die Reichsregierung überhaupt noch aus das Gesetz Werth legt.

Wenn in dem Schreiben des Reichskanzlers an den preußischen Finanz­minister vom 15. April, in dessen Besitz Herr Virchow, wenn er es wirklich besitzt, auf unrechtmäßige Weise gelangt sein muß, eine Stelle enthalten ist, wo von den Wirkungen der Elbschifffahrtsacte auf Hamburgs Zolleintritt die Rede ist, so kann dies nur in dem Sinne gemeint sein, daß nach der bequemen Zoll­abfertigung für Altona das deutsche Publikum keinen Grund mehr hat, seineil Bedarf an Colonialwaaren von Hamburg zu entnehmen.

Die andere Voraussetzung der Erhebung Altonas zum Zollvereinshafen war die passende Abgrenzung vom Freihafengebiete. Der Gedanke, St. Pauli in die Zollgrenze einznbeziehen, ist so wenig neu und unerhört, daß er 1867 in hundert Artikeln des Hamburger LocalblattesHamburger Nachrichten" vor­geschlagen, befürwortet, bekämpft und vertheidigt worden ist. Auf den Artikel 34 kann sich Hamburg nicht stützen, um die Einbeziehung von St. Pauli zu verweigern, zumal nachdem die Einbeziehung anderer hamburgischer Gebietstheile unbeanstandet erfolgt und dabei vom hamburgischen Senat das Recht des Bundesraths anerkannt worden ist, die Grenze zu ziehen. Hamburg kann an die Einsicht des Bundesraths appelliren, daß St. Pauli für den Freihafen un­entbehrlich sei. Obwohl dies nicht in der richtigen Weise geschehen, hat der Reichskanzler die Einbeziehung von St. Pauli fallen lassen, nachdem er das Recht des Bundesrathes zur Festsetzung der Grenze energisch aufrecht erhalten.

Wenn der formalistische Geist, welcher das Ende der Reichstagssession be­herrscht hat und dessen Wirkungen stets dem Particularismus zu Gute kommen, das eben wieder zusammengetretene Abgeordnetenhaus erfaßt, so bleibt Rom