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dein Ereignisse Antheil nimmt, die uns fesselt, bevor wir uns au der Klarheit, Einfachheit und Schönheit der Komposition erfreuen. Wir haben schon oben daranf hingewiesen, mit welcher Einsicht und harmonischen Kraft trotz der schein- baren Zufälligkeit und Natürlichkeit der Situationen gerade diejenigen Bilder Defreggers componirt sind, welche sich auf eine geringere Anzahl von Figuren beschränken, wo namentlich keine durch den Figurenreichthum bedrängte, erhebliche perspectivische Vertiefung nöthig wird. Deshalb ist gerade an dem „Letzten Aufgebot", der „Heimkehr der Sieger" und dem „Todesgang Andreas Hofers" die Composition der schwächste Theil.
Eines der liebenswürdigsten Blätter des Defreggerschen „Werkes" ist der ebenfalls um diese Zeit entstandene „Besuch", den zwei junge Bäuerinnen einer verheirateten Freundin abstatten, die ihnen freudestrahlend im Beisein des schmunzelnden Gatten ihr erstes Kind zeigt, nicht minder liebenswürdig des »Jägers Heimkehr", dem die Frau den Jüngstgeborenen entgegenhält, während sich ein älteres Mädchen an der Jagdtasche des Vaters zn schassen macht. Das "Zitherspiel in der Almhütte" führt uns zwei junge Sennerinnen vor, welche dem Spiel eines hübschen Jägers lauschen. Während die eine auf dem Heerde sitzt und mit uneingeschränkter Theilnahme den Tönen folgt, theilt sich die Aus- merksamkeit der hinter ihr stehenden Gefährtin, eines Mädchens von wunderbar poetischer Schönheit, des schönsten, welches der schönheitsfreudige Defregger geschaffen hat, zwischen dem Spiel und dem Spieler, auf welchen sie in dem ruhigen, beglückenden Gefühl, nicht beobachtet zu werden, herabblickt. Der „Besuch des Botanikers in der Sennhütte", der „Aufbruch der Jäger aus der Sennhütte", der „Besuch der Wilderer in der Sennhütte" und die „Maler bei der Almerin" gehören ebenfalls in diese Periode von Defreggers Schaffen, die mit der „Brautwerbung", einem Bilde, über welches sich die reichste Fülle des Defreggerschen Humors ergossen hat, und mit dem für die Pariser Weltausstellung gemalten „Faustschieben" abschloß. Die letzten beiden Bilder trifft der Vorwurf flüchtiger Ausführung am gerechtesten. Als Defregger sie malte, beschäftigte ihn bereits eine große Aufgabe, ein Historienbild mit lebensgroßen Figuren, welches den Todesgang des tirolischen Volkshelden darstellen sollte.
Zum ersten Male versuchte sich hier Defregger in dem Maßstabe, welcher in der Schule Pilotys für Historienbilder der übliche ist. Zunächst malte er für seinen Zweck eine Anzahl von Studienköpfen, welche er mit einem Fleiße, der an Balthasar Denner erinnert, in Oel ausführte. Bei manchen von ihnen geht dnrch die detaillirte, fast kleinliche Ausführnng die Große des Gesammt- eindrucks verloren. Wieder dieselbe Unruhe im Cvlorit, welche auch den Geuuß seiner kleineren Compvsitivnen schmälert. Einer dieser Köpfe, der zwar nicht sür das Hoferbild bestimmt war, aber gleichzeitig mit den anderen znr Ans-