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Die Tragik in den Werken der hellenischen Plastik. 3.
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und dennoch von der Gottheit um des höheren Zieles willen, der Erfüllung des Schicksalsschlnsses wegen, dem er sich zwar ohne Wissen und Willen ent­gegenstellt, aber dvch immerhin entgegenstellt, Getödtete, ist eine tragische Gestalt, deren Bedeutung noch dadurch erhöht wird, daß in den Untergang des Vaters auch noch die Kinder hineingezogen werden. Ist so der Gegenstand zweifellos tragisch, so fragt es sich nun, was die Künstler daraus gemacht haben.

Da ist zuerst der erschütterndste Zug vollständig unbeachtet gelassen worden, der Umstand, daß die Kinder mit dem Vater sterben und dieser Schinerz in der Seele des Vaters, den eignen Schmerz übertönend, wiederklingen muß. Für diesen Vater existirt aber nichts als sein eigner Schmerz, und zwar sein körper­licher; nichts in ihm läßt ahnen, daß seine Kinder neben ihm sterben und tödtlich bedroht sind. Hierdurch haben sich die Künstler der reinsten und schönsten Wirkung begeben, um den Hauptaccent auf die Darstellung des körperlichen Schmerzes zu legen, was allerdings meisterhaft geschehen ist. Damit ist der schwächste Punkt der Gruppe berührt: das seelische Leben wird nicht in Mitleidenschaft gezogen und somit anch die tiefe seelische Wirkung aufgehoben. Nur einmal ist es, als ob den Künstlern die Möglichkeit einer solchen aufdämmerte: der noch unverwundete ältere Sohn schaut erschreckt auf den leidenden Vater, aber mehr überrascht von dessen ungewohnter Schmerzensänßerung als tief ergriffen; ist doch auch die Seele eines Knaben nicht das Centrum, in welchem alle Strahle,? des Seeleulebens zusammenströmen könnten. Und so zieht dieser Antheil des Knaben wie ein leiser Hauch über die Gruppe, während ein ganzer Stnrm von Empfindnngen sich in der Seele des Vaters hätte zusammendrängen müssen. Die Künstler haben so den Schwerpunkt ihrer Wirkung von der Seele in den Körper verlegt, der hier nicht Dolmetscher des inneren Lebens ist, sondern selb­ständige Bedeutung beansprucht. Sie haben eine tragische Empfindung durch Dar­stellung körperlichen Leidens erreichen wollen nnd haben durch ausschließliche An­wendung dieses Mittels ihren höchsten Zweck verfehlt.

Setzt man sich über diesen Mangel hinweg, sowie über den anderen die Ausführung betreffenden, die Aufstellung der drei Personen in einer Reihe, so eröffnen sich in dieser Gruppe, uach Burckhardts treffendem Ausdruck,Ab­gründe künstlerischer Weisheit". Hier sei nur auf die Mittel hingewiesen, durch welche die Künstler die Concentration des Hauptinteresses auf den Vater erreichen. Nicht nur durch sein körperliches Hervorragen wird er als die Hauptperson bezeichnet, sondern die Schrecklichkeit des Leidens, die in ihm ihren höchsten Ausdruck findet, ist es, welche ihn als das Centrum der Komposition ausweist. Einen Augenblick vor der Lage, in welcher er sich befindet, und der Schmerz droht uur, ist aber uoch nicht thatsächlich eiugetreten; ein Augenblick nach dieser Lage, und der Schmerz verschwindet in dem erlösenden Tode. Je entschiedener

Grmzbotm ll. 18S0. IS