Beitrag 
Politische Briefe : 9. Der Bundesrathsbeschluß vom 3. April.
Seite
90
Einzelbild herunterladen
 

so

hinzutrat, überstimmt von 30 Stimmen der übrigen Staaten. Von diesen 30 Gegenstimmen befanden sich am 3. April 16 dnrch Substitution in den Händen zweier Mitglieder des Bundesrathes, wie man sagt, der Bevollmächtigten von Hessen nnd Braunschweig.

Materiell hatte die Abstimmung den Erfolg, die zu erhoffende Einnahme aus dein Quittungsstempel erheblich zn schmälern, formell stellte sie die Ueber­stimmung von 33 Millionen Deutschen durch 7 Millionen dar.

Am 6. April abends wurden die Leser derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" durch die Meldung überrascht, daß der Reichskanzler seine Entlassung gegeben habe mit der Motivirung, daß er den gegen Preußen, Baiern und Sachsen gefaßten Beschluß nicht vertreten noch als Reichskanzler, auf Grund des Artikel 9 der Verfassung, wie andere Mitglieder des Bundesraths, im Reichstag erscheinen könne, um als preußisches Mitglied die Ausichten seiner überstimmten Regierung zu vertreten.

Am 7. April erfolgte indeß bereits die Entscheidung des Kaisers, und am 8. abends meldete dieNorddeutsche Allg. Ztg.", daß de<Kaiser die Entlassung nicht annehme, sondern dem Kanzler überlasse, den oder die Präsidialanträge vorzubereiten, um bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dein Bundesrath und seinem Vorsitzenden eine verfassungsmäßige Lösung herbeizuführen.

Dem Eingänge dieses Präsidialantrages wird demnach entgegengesehen.

Diese Krisis, welche vom Abend des 6. bis zum Abeud des 8. April die öffentliche Meinung ganz Europas beschäftigte, hat eine Anzahl von Ver­muthungen über ihre wahre Veranlassung hervorgerufen. Der angegebene An­laß wollte Niemandem glaublich erscheinen; man suchte stärkere Gründe dahinter. Indeß glauben wir, daß Folgendes nicht übersehen werden sollte.

Der Kanzler legt auf die Steuerreform, wie er sie beabsichtigt, das größte Gewicht als auf eiue unentbehrliche Bedingung seines künftigen Wirkens uud der Befestigung des Reiches. In dieser Reform bildet der Quittungsstempel ein Glied, dessen Ausfall die Reform vereitelt, wenn es nicht durch ein anderes ersetzt wird. Zudem hatte der Reichskanzler sich mit Baiern und Sachsen über das Eintreten gerade für diese Steuer verständigt und sah sich nun dnrch eine Majorität überstimmt, die noch nicht einmal den vierten Theil des deutschen Volkes repräsentirte. Er mußte diesen Beschluß ungeschehen machen, oder die Verfolgung der Steuerreform wäre an den im Bnndesrathe zahlreicheren Stimmen eines winzigen Bevölkerungstheiles gescheitert. Der Kanzler konnte aber, wie er später auch hat erläutern lassen, den Bundesrath nicht auffordern, auf einen Beschluß zurückzukommen schon darum, weil der Kanzler die Verantwortlichkeit der Ausführung nicht tragen wollte. Dazu gehörte der ausdrückliche Wille des Kaisers, den jetzigen Kanzler nicht seiner Stellung zu entheben, um ihn durch