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Baden nach dem Schlüsse der Kammern.
In früheren Besprechungen badischer Angelegenheiten wurde in d. Bl. wiederholt auf die veränderte politische Strömung hingewiesen, welche nicht nur im badischen Volke, sondern namentlich auch iu den oberen Regionen mehr und mehr zn spüren sei. Seitdem der badische Kirchenstreit in den „Grenzboten" besprochen worden, hat diese Strömung — wir nannten sie eine konservative — an Jntensivität noch wesentlich gewonnen, und es hat sich gezeigt, daß sie stärker ist, als der Liberalisinus der Herren Kiefer und Genossen, der dnrch den ersten Sieg, welchen er im Kirchenstreite errang, sich wieder als alleiniger Herr der Situation betrachten zu dürfen glaubte. Der erste Gesetzentwurf, den die großherzogliche Regierung dem Landtage über die Staatsprüfung der Theologen vorgelegt hatte, fand bekanntlich vor der zweiten Kammer so wenig Gnade, daß die zu seiner Berathung eingesetzte Commission, deren Vorsitzender der Präsident der zweiten Kammer und Minister a, D. Lamey war, beschloß, der Kammer vorzuschlagen, diesen Entwurf a, limiiw zurückzuweisen; für deu Entwurf traten nur die ultramontanen, die beiden conservativen nnd die drei demokratischeu Abgeordneten ein. Dieser einmüthige Widerstand der liberalen Abgeordneten war — und das ist in der Beurtheilung durch die auswärtige Presse kaum genug gewürdigt worden — hauptsächlich auf zwei Gründe zurückzuführen: einmal auf die mangelhafte Unterlage, welche dem Gesetzentwurfe durch die Verhandlungen zwischen der großherzoglichen Regierung und der Curie iu Frciburg geschaffen worden war und welche für eine Sicherung der staatlichen Rechte eine irgendwie zuverlässige Garantie nicht bot, sodann aber auf den persönlichen Widerwillen, den man dem Präsidenten der zweiten Kammer gegen diese Ameudi- rung der von ihm geschaffenen Gesetzgebung zuschreiben zu dürfen glaubte. Wohl nicht mit Unrecht, da die gesetzliche Regelung, wie der erste Gesetzentwurf sie erstrebte, an und für sich den Intentionen der übrigen Parteiführer sicherlich mehr entsprochen hätte, als diejenige, welche in dem von Lamey verfaßten Commissionsberichte gefordert wurde, vorausgesetzt natürlich, daß die Curie sich entgegenkommender zeigte, als das iu Wahrheit der Fall war. Der Regierung aber scheint diese Forderung gar nicht unbequem gewesen zu sei». Zu gleicher Zeit hatte der Bisthumsverweser der Freiburger Diözese, dem ja im Grunde die Liberalen viel mehr zugedacht hatten als die Regierung, sich iu einem Schreiben an deu Großherzog gewandt, welches gegeu das erste vom 5. Jauuar dieses Jahres wunderbar abstach. Während den letzter» Erlaß der Abgeordnete Fieser in offener Kammersitzung nicht mit Unrecht als ein „Musterstück cleriealer Arroganz" bezeichnete, enthält das Schreiben vom 10. Febrnar dieses Jahres folgende charakteristische Stelle: „Deshalb habe ich meinerseits alles aufzubieten mich für verpflichtet gehalten, damit auch kirchlicherseits deu Allerhöchsten auf Abhilfe der obschwebenden Nothstände abzielender Intentionen entsprochen werde. Im vollen Vertrauen auf den landesväterlichen Schutz der religiösen Interessen und darauf, daß Königliche Hoheit in Höchstihrer Regentenweisheit die Mittel und Wege finden werden, bei der gegenwärtigen, im Kreise der gesetzgebenden Factoren bestehenden Spannung die Gegensätze anszuglcichen, nahe ich mich allerehrfurchtsvollst dem Throne meines allergnädigsten Landesherrn und bitte unter Versicherung meiner treuesten Ergebenheit um Allerhöchstdessen landesväterliche Vermittelung. Zn diesem Behufe wage ich Ew. Königliche Hoheit im Anschlüsse den Entwurf meiner zur Vorlage an großherzogliches Ministerium des Innern bestimmten Erklärung allerunterthänigst M unterbreiten." Hat je ein Bischof so demüthig an den Vertreter des Staates