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seine Mutter, verstoßen von ihrem Gemahl, ins Kloster wandern mußte, zählte der Knabe nahezu neun Jahre. Der Vater übertrug auf ihn die Abneigung, die er schon der Mutter gegenüber gezeigt hatte, und der Sohn that nichts, die Liebe seines Vaters sich zu gewinnen. Der Mangel an Fähigkeiten, der frühzeitig hervortrat, hätte durch eine sorgsame Bildung ausgeglichen werden können. Peter vernachlässigte aber die Erziehung seines Sohnes, er versäumte alles, um ihn in der wünschenswerthen Richtung, im Sinne der Reform, im Geiste des Fortschritts zu entwickeln, ihn zur Arbeit und Selbstzucht zu erziehen. Ja, gerade zu der Zeit, iu welcher der Charakter sich entwickelt, vom fünfzehnten bis zum zwanzigsten Lebensjahre, überließ Peter den Erben seines Thrones allerhcmd demoralisirenden Eiuflüsseu. Alexei kam iu Kreise, in denen man dem Zaren entschieden feindlich gesinnt war. Diese Opposition hatte eine religiöse Färbung. Sie schrieb die Rechtgläubigkeit auf ihre Fahne und brandmarkte den Zaren als Ketzer und Ausgeburt der Hölle. Alexei erschien als das Gegenbild seines Vaters. Während dieser ganz Nerv und Arbeit war, erscheint der Sohn träge, jede ernste Arbeit scheuend; während Peter die Geistlichkeit, die seinen Plänen mißgünstig gegenüberstand, haßte, hängt Alexei scholastischen Spitzfindigkeiten und theologischer Kleinkrämerei mit Popen und Mönchen nach. Es ist nicht zu verwnndern, daß die altrussische Partei alle Hoffnungen auf das Temperament des Prinzen setzte, daß er allmählich der Repräsentant des Unwillens uud der Wünsche desjenigen Theiles des Volkes wurde, welcher uicht aufhörte, Peters Reformen mit Abneigung zu betrachten. Aber Alexei war kein Mann der That, er litt unter der Energie seines Vaters, der aus seiner Unzufriedenheit, als er den Sohn in die Staatsgeschäfte einzuführen versuchte, kein Hehl machte; er grollte nur inmitten seiner Popen und ließ hie und da in der Trunkenheit seinen Dienern gegenüber Aeußerungen fallen, welche zeigten, daß er ans Peters Tod wie auf die Stunde der Erlösung hoffe.
Peter suchte den Gedanken seines Erben eine andere Richtung zu geben. Alexei mußte sich mit einer ausländischen Prinzessin, Charlotte von Braunschweig, vermählen. Aber die Ehe war unglücklich. Alexei ergab sich immer mehr dem Trunke und vergaß in den Armen der finnischen Leibeigenen Affrosinja Ehre und Pflicht. Am 12. October 1715 starb die unglückliche Prinzessiu Charlotte, uachdem sie einem Sohne, dem nachmaligen Kaiser Peter II., das Leben gegeben hatte. Einen Tag nach ihrer Bestattung gebar Katharina, die Peter als seine Gemahlin anerkaunte, einen Sohn, für Alexei einen gefährlichen Rivalen. Peter hatte sich schon früher mit dem Gedanken getragen, seinem Sohne das Recht auf die Krone zu entziehen, da er durch einen solchen Thronfolger die Reformen, an die er sein thatenreiches Leben gewendet hatte, vernichtet sah. Jetzt, da die Zukunft seiner Dynastie gesichert war, konnte er dem Sohne schreiben, daß,