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Das Tessin.
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Das Tessin.

Wem: H. R. Schulz in seinenBeiträgen zur Kenntniß des Schweizer­landes" (1783- 87) schreibt:Die italienische Schweiz ist wvhl unter allen Landschaften, welche jetzt zu Helvetieu gerechnet werden, der unbekauuteste Theil", sv gilt dieser Ausspruch iu der Hauptsache auch jetzt nvch. Obgleich jährlich Tau­sende über deu Gvtthard nach deu borromäischen Inseln, nach Bellinzona, Locarnv und Lugano reisen, so ist doch der Canton Tessin, abgesehen von den eben- geuauuteu Inseln und Ortschaften und den entsprechenden Seen, für das große Reisepublikum eine wrra, incoMitÄ geblieben. Selbst die Alpenreiseuden von Fach habeil dieses Gebiet erst iu neuester Zeit in den Bereich ihrer Forschungen gezogen, und zwar waren es hauptsächlich Baseler Bergsteiger, die im Jahrbuch des schweizerischen Alpenelubbs Beiträge zur Gebirgskunde des Tessin geliefert haben. Von dem Strome der Reisedilettanteu aber ist das an Naturschönheiteu reiche Land bisher fast ganz unberührt geblieben. Mit der Volleudung der Gotthardbahn wird sich dies wohl änderu. Wvhueu doch hier im Tessin alle Jahreszeiteil beisammen: die subtropische Wärme uud Fvrmenfülle der Gestade des Luganer Sees liegt von der eisigen Kälte uud Vegetatiousarmuth des Gvtthard nur um eine Tagereise entfernt, die in Zukunft auf wenige Stunden zusammenschrumpfe» wird, ein Gegensatz, wie er in ähnlicher Schärfe sich nur noch im Oberwallis vorfindet. Jedenfalls ist das Tessin ein originelles Land und verdient in seinen Eigelithümlichkeiten näher gekannt zu werden.

Rechuet mau das Thal der Moesa (das Misox, die Straße vvm Splügen nach Bellinzona), das nach der gegenwärtigen cantonalen Eintheilung zu Grau- bündten gehört, mit zum Tessiu, so kann dieser südliche Vorsprung der Schweiz seine Aehnlichkeit mit einem wvhlvräparirteu westfälischen Schinken nicht ver­leugnen. Er zerfällt in zwei äußerlich leicht uuterscheidbare Theile, in einen nördlichen, der sich in einer breiteil Zone bei dein Gvtthard und Lukmanier an die übrige Schweiz ansetzt, uach Südeu zu aber an Breite etwas abnimmt, und in eineu südlichen, mehr schlank als breit geformten Fühler, der sich nach der wriÄ äsi üorl, äsi Luoiri, äsi oarwi oder, wie man auch sagen könnte, in das Gebirgs- und Seengebiet erstreckt. Letzteres reicht vom Nvrdostende des wurm­artigen Laugensees bis nahe an die Südvstspitze der Comersees und enthält in seiner Mitte den größten Theil des Luganer Sees, der einem Angelhaken gleicht; ersteres dagegen zeichnet sich durch seinen gebirgigeil Charakter und seine entschiedene Thalbilduug aus, ist daher gegeu den Nachbar besser abgegrenzt als das südliche Tessin. Der Fluß Tessin zerlegt das ganze Gebiet in zwei.