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und die eben geschilderte ist daher bekannt als besonders trocken, weil sie keine Neuigkeit meldet, Annoncen außer denen der Verlags- und der Druckfirma so gut wie gar nicht hat und ihrer Specialtendenz allzu unvollkommen Genüge leistet. Wäre sie nnr wenigstens nicht allzusehr die Ablagerungsstätte für die Abfälle von den historischen Arbeiten ihres Redacteurs, dann würde sie gewiß auch etwas mehr Leser haben, als sie heute hat.
Auf den beiden Extremen haben wir nicht viel Gutes gefunden; weder die Zeitung, welche etwa Wolffs Telegraphen-Bureau zu vergleichen wäre, noch die programmmäßige Vertreterin der Wissenschaft, die nicht dem Tage, sondern dem Jahrhundert leben will, wird ihrer Aufgabe gerecht, keine ist consequent in der Beschränkung auf ihre Aufgabe, sondern jede pfuscht etwas hinüber in das Gebiet der nicht existirenden dritten. Vielleicht giebt es in der Mitte zwischen beiden etwas besseres?
Leider finden wir in der Mitte, was wir zu finden von vornherein fürchten mußten: die echte — Mittelmäßigkeit! Die Unmöglichkeit, alles zu leisten, was wir oben als eine vollgenügende Ausgabe für drei verschiedene Arten von Zeitungen hingestellt haben, hat hier dazu geführt, von allem etwas, d. h. von allem gleich wenig zu bringen. Hier wird dann und wann ein Buch, eine Symphonie, eine Oper besprochen, es werden Concertprogramme registrirt, Engagements, Ernennungen, Ordensverleihungen signalisirt, Novitäten angezeigt u. s. w. Das meiste besorgt der Herr Redacteur selber, der auch ganz der Mann dazu ist, non niultuw sscl irmlw zu leisten. Wir haben da z. B. eine Zeitung, begründet von einem unserer poetischsten Tonkünstler und wahrhaft genial einige Jahre geleitet; heute ist sie in den Händen eines Charlatcms, dessen künstlerische Impotenz allzu bekannt ist, als daß man bei seinen Versuchen, sich selbst durch das von ihm hinter der Gardine redigirte Blatt zum bedeutenden Manne zu stempeln, etwas anderes empfinden könnte als Mitleid. Als würdige Adjutanten assistiren ihm einige ständige Mitarbeiter von so kläglich alltäglicher, engherziger, einer poetischen Regung total unfähiger Gemüthsart und so geringer geistiger Kapacität, daß alles, was einiges Nachdenken und einen freien Blick erfordert, ihren Horizont übersteigt. Drollig genug ist freilich die Complication, daß die Zeitung der neudeutschen Richtung huldigt und daher ihre Mitarbeiter sich in der unbequemen Lage befinden, immer mit einem Beine jenseits der Berge zu stehen, die ihren Horizont begrenzen. Zum Glück für die Armen sind das „Zerbrechen der Form" durch den Meister und die Formlosigkeit unfähiger Nachahmer für die blindgläubigen musikalischen Fortschrittler schwer unterscheidbare Dinge, und es ist für die Kritiker daher ziemlich bequem, hier wie dort der Prüfung der Form überhoben zu fein und sich in emphatischen Phrasen Über den Inhalt ergehen zu dürfen. Die Zeitung führt ein beschauliches Still-