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Die Hauptströmungen in der bildenden Kunst der Gegenwart : 3. Der Realismus in der Historienmalerei. - Karl Piloty.
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streng genommen vielleicht nur ein Mal auf der Ermvrdnng Cäsars ge­lungen, eine größere Anzahl von Figuren so zu dispvniren, daß der Blick des Beschauers sich zuerst der Hauptperson zuwendet und gezwungen wird, immer wieder zu ihr zurückzukehren.

Auf dem Bilde derLiga" spielt der ganz in den Hintergrund gerückte Herzog thatsächlich die untergeordnetste Rolle. Die gleichgiltigen Figuren im Vordergrunde, auf welche der Maler den ganzen Reichthum feiner Palette ausgegossen hat, absorbiren unser Interesse so vollständig, daß wir für den Vorgang im Hintergrunde kaum einen Blick übrig haben. Der Fehler liegt also hier in der verkehrten Auffassung und in der räumlichen Disposition. Aehnlich wie A. v. Werner auf feinem Niesengemälde der Kaiserpro clamation in Versailles" hat Piloty, von der Absicht geleitet, eine Uebersicht über eine möglichst große Anzahl von Figuren zu geben, einen falschen Standpunkt ge­wählt. Auf dem Weruerschen Bilde erscheinen die Hofchargen und die Sub­alternoffiziere im Vordergrunde in mehr als Lebensgröße ebenso wie die Per­sonen des herzoglichen Hofes auf dem Gemälde Pilotys. Hier wie dort zeigt sich jener Kardinalfehler der Cvmposition, den ein französischer Kritiker sehr fein mit den Worten rügt: Lüsar cloit xas Ltrs xrlmö x-i-r Äss doms- Staues Cäsar darf nicht durch Bediente in den Schatten gestellt werden.

Neben diesen Mängeln der Komposition zeigte das erste große Historien­bild Pilotys bereits jenen verhängnißvollen Zug zum Deelamatorischen und Theatralischen, der für seine ganze Schnle charakteristisch werden sollte, voll­entwickelt. Der Herzog und die beiden Bischöfe, welche auf eine hellblauseidne Fahne mit der Schutzpatrouiu Baierns deuten, als wollten sie sagen: In diesem Zeichen wirst du siegen! tragen durchaus das Gepräge von Theaterhelden, die eben eine schwungvolle Rede vom Stapel lassen. Während sich Piloty bei der Cvmposition statt von der Kunst, von der Wahrheit und dem Zufall, diesen beiden Leitsternen des Realismus, führen ließ, hat ihn die Wahrheit bei der Gestaltung der Hauptfiguren ganz in Stich gelassen. Wahrheit nnd Lebendig­keit ist vielmehr nur unter den Nebenfiguren zu finden, von denen einige höchst ausdrucksvoll uud energisch charakterisirt find.

Diese und andere Mängel hinderten die damalige Kritik nicht, den Glanz des Kolorits, die ernste Harmonie des Gescunmttons, überhaupt die Virtuosität des technischen Vermögens unumwunden anzuerkenneil. Wie wenig man aber auch schon damals mit der Richtung Pilotys einverstanden war, beweist der Schlußsatz einer ebenso maßvollen als feinsinnigen Kritik imKunstblatt" von 1854, in welchem der Verfasser, Ernst Förster, allerdings ein Cornelicmer von der strengsten Observanz , sagt:Wen Neigung und Talent auf die Wege des Naturalismus führen, der thut wohl, sie zu gehen und um wo möglich Stoffe