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Vieles, aber leider nm Schlimmes angenommen. Während die juristische Praxis aus den Gesetzbüchern die mittelalterliche Kasuistik ausmerzt, sängt die Nationalökonomie an, die zahllosen Erscheinungen des täglichen Lebens zu schablonisiren, also eine neue Casuistik zu schaffen. So verfehlt sie natürlich ihre Bestimmung, die aus ihrer Verbindung mit der Jurisprudenz für diese erwachsen sollte, und die darin bestand, die Rechtsbeflisscnen mit den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft und des Staates bekannt zu machen, ihren Gesichtskreis zu erweitern, ihnen ein großes Gebiet neuer Rechtsbildung auszuschließen, sie mit fruchtbaren Anregungen zu durchgeistigen und sie vor Verknöcherung und Einseitigkeit zu bewahren."
Von den wirklich bedeutenden Nationalökonomen sind denn auch nur wenige Juristen oder überhaupt Fachgelehrte gewesen. Colbert war ursprünglich Kaufmann, Quesnay Mediciner, Adam Smith Philosoph, Ricardo Banquier, Cobden Fabrikant. Thümen, ein Vorgänger Lists, war Landwirth, List selbst ein Autodidakt, der sich vom Schreiber zum Rechnungsbeamten emporarbeitete und dann auf einen Lehrstuhl gelangte, von dem er von den zünftigen College« heruntergebissen wurde. Der Amerikaner Henry Carey betrieb den Buchhandel, und Rodbertus bewirthschaftete seine Güter. Von denen, welche die Nationalökonomie bei uns in wissenschaftlicher Form Pflegen, verdienen außer Schmoller, Schönberg, v. Stein und Oncken nur noch einige wenige Beachtung, und es ist Schade um die Zeit, die man auf die Lectüre der Schriften verwendet, welche von den übrigen angefertigt worden find. Betrachtet man den gewundenen Stil und die ungeschickte Ausdrucksweise mancher von diesen gelehrten Herren, so möchte man fast meinen, sie verstünden nicht deutsch zu denken, weil sie nicht deutsch zu schreiben wissen. Viele sind entweder zu bequem oder zu ungelenk, um sich für ihre Vorlesungen und Bücher eine klare und präcise Forin anzueignen. Andere scheinen sich geradezu Mühe zu geben, dunkel und verworren zn reden und zu schreiben. Sie bekunden eine förmliche Scheu, den Dingen ihren wahren Namen zu geben. „Ja, man kommt," wie der Verfasser unserer Schrift sagt, „unwillkürlich zu dem Verdachte, daß der Jargon, in dem sich einzelne gefallen, hie und da keinen andern Zweck habe, als den Mangel an Gedanken durch ein Dickicht orakelhafter Worte, Formeln und Satzconstructionen zu maskiren und so durch die Dunkelheit des Sinnes die Bewunderuug derjenigen zu erregen, welche zu den Vertretern der deutschell Wisseuschast wie die Juden zum Tempelvorhang emporzuschauen pflegen." ... „Auch in der sonstigen Behandlnngsweise des Materials haben unsere ökonomischen Systematiker geringe Fortschritte gemacht und von der naturwissenschaftlichen Methode nicht viel mehr als den Namen und die FormNlirung von ,Gesetzen< entlehnt. Dutzende von Lehrbüchern haben ein ,System< ähnlich den abgestandenen Compendien der