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Zum Gedächtnis Victor Emanuels : (✝den 9. Januar 1878) : (Schluß.)
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Verwandte» des Königs. Der Papst soll nachher sein Bedauern ausgesprochen haben, daß er uicht mehr habe thuu können. Er hatte allerdings gezeigt, daß er der ganzen Nation gegenüber die Rechte der Kirche aufrechterhalten konnte; aber die Nation bewies ihm durch die imposanteste Demonstration, deren sie fähig war, daß sie die neue Rechtsordnung ihm zum Trotze anerkenne, und daß sein Fluch über den Verstorbenen und dessen Werk zu windverwehten Worten geworden war. Schon am 15. Januar wiesen die Listen der Polizei eine Zahl von 114000 angemeldeten Fremden auf; schon in der Nacht vor dem 17. sammelten sich die Volksmassen auf dem ganzen Wege, den der Leichenzug uehmeu mußte; in ehrfurchtsvollem Schweigen harrten hier dichtgedrängt über 200000 Menschen wohl 7 Stunden lang, bis der Zug vorüber war. Es bedürfte keiner Polizei; nicht die leiseste Störung fiel vor. Das war mehr als bloße Neugier, als Liebe zum Schaugepränge, das war der grandiose Ausdruck der Auerkennung Victor Emauuels uud seines Werkes. Ganz Italien hatte sich versammelt, zum letzten Male den Herrscher zu feieru,dessen Name mehr als ein bloßer Königsncune, ein historisches Symbol, eine Nationalfahne war". Du hast," rief ein begeisterter Italiener aus,viele Lehren in deinem Leben gegeben, o großer König; aber die größte von allen ist die, welche bei deinem Tode in ihrer ganzen Bedeutung erschien, daß die größte Macht, das größte Glück eines Monarchen die Liebe seines Volkes ist."

Versuchen wir noch zum Schluß, iu rascheu Zügen ein Bild der äußern Erscheinung des Köuigs, seiner Lebensweise und seiner geistigen Eigenthümlichkeit zu entwerfen.

Allbekannt sind die Gesichtszüge des Königs, wie sie die italienischen Münzen charakteristisch genug zeigen. Nichts erinnert in ihnen wie in seiner Natur an das griechische Schönheitsideal; man könute seine Bildsäule zur Contrastwirkung neben die des Apoll von Belvedere stellen. Der uutersetzte Körperbau mit nicht allzu prvpvrtiouirten Gliedern, der kurze Hals, die aufgestülpte Nase mit weit- geöffneten Nüstern, das stark hervortretende, auf eine kräftige Sinnlichkeit deu­tende Untergesicht, das auf den ersten Anblick fast an die äthiopische Rasse erinnert, halten jeden Gedanken an classische Schönheit fern. Aber die hohe edle Stirn, das ausdrucksvolle Auge, das bald im Glänze natürlicher Majestät, bald theilnehmender Güte leuchtete, die imponirende, zugleich leichte und kräftige Haltung, der elastische Gang endlich versöhnten mit jener Unregelmäßigkeit der Züge, so daß Viele, die oft mit ihm verkehrten, den König trotz allem schön finden wollten.

Von kräftiger Gesundheit und früh abgehärtet, scheute Victor Emanuel keinerlei körperliche Anstrengung; ja er liebte es, sie aufzusuchen, während er seinem Lieblingsvergnügen, der Jagd, nachging, sei es in den dichtverschlungenen