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Literatur.
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ein Culturbild des Denkens nnd Thuns der fürstlichen Kreise des siebzehnten Jahrhunderts überhaupt ab. Die Anordnung des Ganzen ist sehr einfach. Die Verfasserin knüpft nach dein Gange ihres Lebens eine bunte Fülle von Scenen zwanglos und anmuthig cm einander. Keine Gruppe ist geschlossen, sondern eine in die andere verflochten, und erst, wenn wir dieses Gesüge lösen, zerfällt das Buch in drei Theile, deren erster die Jugendjahre Sophiens, die sie in Holland verlebte, umfaßt, während der zweite mit der Übersiedelung nach Heidelberg und der dritte mit ihrem Eintritt in das braunschweigische Fürsten­haus beginnt. Die erste Periode dreht sich um die steifleinene Erziehung der Prinzessin in Lehden, ihre Eindrücke am Hofe der Mutter und den Plan einer Vermählung mit Karl II. von England. Ihre Nheinreise führt uns von Holland nach Heidelberg. Die unglückliche Ehe des Kurfürsten von der Pfalz, beiläufig von G. Freytag ganz unrichtig dargestellt^), ein Besuch am Stuttgarter Hofe, der Reichstag zu Regensburg, die Werbung um die Hand Sophiens, ihre Ver­lobung mit dem stattlichen und geistvollen Herzog Georg Wilhelm und ihre schließliche Vermählung mit dessen anders geartetem Bruder Ernst August machen im zweiten Theile das Hauptinteresse aus. Im dritten schildert sie ihren Ehe­stand, ihre Reisen nach Italien, Frankreich und Dänemark und die aus der Verbindung ihres ehemaligen Bräutigams mit der d'Olbreuse entstandenen Ver­wickelungen. Das Buch schließt mit den schmerzlichen Ereignissen, aus denen es als eine Art Trösteinsamkeit hervorgegangen ist. Es langweilt nirgends, ein Apercu drängt das andere, und jede Scene lebt. Man bewundert die Schürfe der Beobachtung, die Leichtigkeit der Darstellung, deu sprudelnden Witz. Zwar fehlt es nicht an den sanfteren Zügen des weiblichen Gemüths; aber weit mehr macht sich eine scharfe Zunge geltend, die auch des Freundes nicht schont und selbst die der Mutter schuldige Pietät außer Acht läßt. Und fragt man nach der Grundstimmung ihrer Seele, so tritt ein stolzer und skeptischer Sinn hervor, der in dem Bewußtsein königlicher Abstammung und überlegener Bildung seine Wurzel hat.

Ueber die neue Ausgabe der HiZtoirs äs ravQ tswx8 bemerken wir nur, daß dieses Werk dem Könige von dem Streben nach stilistischer Einheitlichkeit seiner früheren geschichtlichen Werke eingegeben wurde. Ueber den Werth der Arbeit ist nicht mehr zu reden, seit Ranke die beiden Redactionen derselben (die von 1746 und die von 1775) als unschätzbare Doeumente sür die Ent­wicklung des großen Mannes, von dem sie herrühren, bezeichnet hat, Documente, die allenthalben, in dem, worin sie übereinstimmen, sowie in dem, was eine jede Besonderes hat, das Gepräge seines Genius tragen.

*) Köcher sagt S. 16:G. Freytag hat in den .Bildern aus der deutschen Vergangen­heit' das eheliche Leben an deu Höfen des siebzehnte» Jahrhunderts durch das Beispiel'des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz illnstrirt. Er cntrvllt ein Gemälde voll unholder Züge: nicht liebenswert!) erscheint die Gattin, durchaus unwürdig der Mann. Dieses Ur­theil würde zutreffe», wenn es aus ungetrübter Quelle entspränge. Aber die augebliche Supplicationsschrift der Kurfürsti» Charlotte an den Kaiser Leopold, welche Freytag ans Lünig, Teutsche Reichs-Kanzlei in gutein Glauben aufgenommen hat, ist ein durchsichtiges Gewebe zahlreicher Ungereimtheiten, eine romanhafte Fälschung/' Johcmnis nud Wund haben dies nachgewiesen. Auch Häuser hält die Schrift nicht für glaubwürdig. Ob nicht auch andere von FrcytagsBildern" mit solchen falschen Farben gemalt sein sollten?

Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig, Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von Hüthel Ä Herrmann in Leipzig.