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es ja geschah, so ging sie in den Tempel oder an die heiligen Stätten, da Jesus gestorben, begraben und gen Himmel gefahren war. Und als Johannes sie endlich verließ und auszog, das Wort des Herrn in der Fremde zu verkündigen, gab er die Jungfrau in den Schutz des Jacobus.
Zuletzt aber, da Maria alt geworden war und viele Wunder verrichtet hatte, kam die Zeit, wo der Herr sie zu sich berufen wollte. Eines Tages saß sie in ihrer Kammer und weinte um ihren lieben Sohn. Da trat der Engel Gabriel zu ihr und fragte: „Warum weinest du?" Sie aber antwortete: „Soll ich nicht weinen und traurig seiu, da die Juden mich verfolgen und suchen mich zu todten, um meines Sohnes willen, der mich allein auf Erden zurückgelassen?" Da verkündete ihr der Engel, daß in dreien Tagen ihr Kümmerlich ein Ende haben werde, denn sie werde abscheiden von der Erde und im Himmel eine Königin werden. Und er gab ihr ein weißes Gewand zum Leichenkleid uud einen Palmzweig aus dem Paradiese, der sollte vor ihrem Sarge getragen werden. Und da sie traurig wurde, darum daß sie so einsam sterben sollte, verhieß ihr der Engel, daß sie nicht eher sterben würde, als bis sie alle ihre Freunde wiedergesehen. Zu derselbigen Zeit aber war Johannes in Ephesus und lehrte. Da eilte Gabriel zu ihm, hüllte ihn in eine Wolke und brachte ihn zu Maria. Und während sie ihn noch willkommen hieß, da versammelten sich, aus allen Landen von Gabriel herbeigernfen, die zwölf Apostel, und auch Jesus erschien unter ihnen und versprach, er werde am dritten Tage wiederkehren. Und es geschah, wie er verheißen. Am dritten Tage trat er, mit einem weißen Gewände angethan, mitten unter seine Jünger, und alsbald erkannte ihn Maria und fiel ihm zu Füßen. Und nachdem Jesus sie getröstet, giug sie nach ihrem Bette und verschied sanft, und der Engel Michael empfing ihre Seele und führte sie von dannen. Darnach gebot Jesus den Jüngern, den Leichnam zwei Tage zn bewachen, nnd drei reine Jungfrauen wuschen ihn und legten ihn auf eine Bahre. Aber es ging ein lichter Glanz von ihm aus, und er verwesete nicht, und Gesicht uud Farbe blieben, als ob Maria lebte. Und als sie sie am dritten Tage zu Grabe brachten, trug Johannes den Palmzweig voran, und Petrus ging zu Häupten der Bahre, und Paulus folgte ihm nach; und eine Krone erschien über der Bahre, und alle sangen Psalmen, und die Engel stimmten mit ein in ihren Gesang. Da aber die Juden den Gesang hörten, liefen sie mit ihrem Bischof herbei und wollten etliche der Apostel saugen uud in Ketten legen und die Bahre in den Koth werfen. Wie aber der Bischof die Bahre berührte, da verdorreten und verkrümmten ihm die Arme, und das schreiende Volk ward von Krankheit befallen. Da fiel der Bischof Petrus zu Füßen und bat demttthiglich. ihn von der Krankheit zu befreien, und versprach, sich tanfen zn lassen. Da heilte ihn Petrus