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Mutter. Darnach stieg er wieder empor zum Himmel, und die himmlischen Heerschaaren sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe!" Die Hirten aber gingen sogleich nach Bethlehem und verehrten den Heiland und seine Mutter.
Bei der Geburt des Heilandes aber geschahen sieben Wunder. Um die Sonne erschien ein roth- und goldiger Ring. In Rom floß ein Oelbach aus einem Kieselstein. Daselbst stand auch eine Bildsäule des Heidengottes Mars, von der war geweissagt, sie solle zusammenstürzen, wenn eine reine Magd einen Knaben zur Welt bringen würde, und wiewohl die Römer meinten, das werde nimmermehr geschehen, so stützten sie doch die Bildsäule; in dieser Nacht jedoch stürzte sie mit großem Krachen zusammen. Das vierte Wunder war der allgemeine Friede, der zu dieser Zeit herrschte, denn die Schmiede zerschlugen Schwerter und Spieße und verwandelten sie in Ackergeräth. Das fünfte war dies: Angustus lag in der Nacht in seinem Zelte und freute sich der vielen Reiche, die ihm Unterthan waren. Da beschloß er alle seine Gefangenen loszugeben, und sie wurden alle frei. Er befahl aber auch, daß alle, die ihren Herren entlaufen wären, zurückkehren sollten, und die nicht gehorchten, sollten getödtet werden, und es wurden 30000 enthauptet. Das siebente Wunder aber war: Es erschien ein Stern am Himmel, der leuchtete fort und fort vom Tage der Geburt an. Am achten Tage aber nach der Geburt wurde der neugeborne Heiland beschnitten und Jesus genannt, denn so hatte der Engel es besohlen.
Um diese Zeit lebten in Chaldäa drei Könige: Caspar, Melchior und Balthasar. Die sahen, da sie eben zu einander gekommen waren, den wunderbaren Stern und schwuren ihm zu folgen, wohin er sie auch führen würde. Zuvor aber eilten sie auf schnellen Rossen nach Jerusalem und kamen vor den König Herodes und erzählten ihm von dem Stern und von der Geburt des großen Königs. Da bat sie Herodes und sagte: „Lasset mich's wissen, wenn ihr das Kind gefunden, damit ich ihm auch meine Verehrung bezeuge." Er fürchtete sich aber vor dem neugebornen König und meinte, er werde ihn vom Throne stoßen, denn die Schriftgelehrten hatten ihm gesagt, das Kind sei aus dem Stamme David und sei in Bethlehem geboren. Alsbald kamen die Könige nach Bethlehem und wnrden von dem Sterne vor Josephs Haus geführt. Da brachten sie dem Kinde ihre Verehrnng dar und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. Und auch die Eltern des Kindes gingen nicht leer aus, denn Maria erhielt vvn den Königen Gold, Silber und Seide, Joseph aber Gold, Silber und Edelsteine. Als sie aber wieder von bannen ziehen wollten, da erschien ihnen ein Engel und ermähnte sie einen andern Weg zu ziehen nnd nicht Herodes iu Jerusalem Rede zu stehen. Da nahmen sie Abschied, küßten die Wiege des Kindes und kehrten auf einem Umwege zurück in ihre Heimat.
Nach sechs Wochen aber brachte Joseph Maria und das Kind von Bethlehem Grenzboten IV. 1879. 73