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hören, sondern beschloß noch in derselben Nacht fortzuziehen. Da er aber ans den Aufgang des Mondes wartete, damit er nicht im Dnnkel der Nacht den Weg verliere, legte er sich müde auf das Bett und schlummerte ein. Da erschien ihm ein Engel im Traum und tröstete ihn und sagte, das Kind märe des heiligen Geistes Kind. Da ward er hocherfreut über die Botschaft und bat Maria um Verzeihung darum, daß er ihr mißtrant hatte. Doch das böse Gerücht war schon in die Stadt gedrungen, und die Juden kamen und klagten Maria beim Priester des Ehebruchs au. Da wurden sie beide, Joseph und Maria, vor ein Concil gefordert und sollten nach Moses' Gesetz gesteinigt werden, auch Joseph, weil er den Fehltritt seines Weibes verschwiegen. Zuletzt aber erbarmten sich die Priester und entschieden, man solle beiden einen gesegneten Trank reichen, der für den Schuldigen Gift, für den Schuldlosen aber ohne Gefahr war. Da nahmen sie beide den Trank, und da sie die Probe glücklich bestanden, wurden sie freigesprochen und entlassen.
Um dieselbige Zeit wollte Kaiser Augustus einen Zius erheben, darum ließ der Landgraf Cyrin von Syrien alle Hausherren aufschreiben, damit sie besteuert würden. Da aber alle sollten nach Familien und Geschlechtern geschätzt werden, so machte sich Joseph mit Maria auf den Weg nach Bethlehem, Unterwegs aber brach die Nacht herein, und Bethlehem war noch gar weit. Da sagte Joseph: „Laß uns auf dem Felde übernachten." Maria aber, welche fühlte, daß ihre Stunde nicht mehr ferne war, weigerte sich dessen und wollte Bethlehem erreichen, „deuu", sagte sie, „der Christ muß in Davids Stadt geboren werden". Und sie verschmähte jede Rast, bis sie endlich um Mitternacht bei der Stadt anlangten. Und da Maria ihre Füße nicht weiter trugen, machten sie in einer Felsenhöhle an der Straße Herberge, und als sie eintraten, strahlte ein Helles Licht in der dunkeln Höhle. Da sandte Maria eilend Joseph aus, daß er Hebammen herbeihole. Und er fand deren zwei, Rachel und Salome; doch ehe er noch mit ihnen zur Höhle kam, hatte Maria fchon geboren, ohne alle Schmerzen, sowie sie ohne Sünde empfangen hatte. Und als Joseph mit den beiden Ammen eintrat, leuchtete ihnen ein Heller Glanz entgegen. Maria aber küßte ihr Kind und ließ es von den Ammen baden und wickeln. Wie aber die Ammen Maria berühren wollten, da erbleichten sie und fielen wie todt nieder. Das war ein Zeicheu, daß eine Jungfrau geboren hatte. Da wurde das Kiud in eine Krippe gelegt, und Esel und Rind fielen auf das Knie nieder und verehrten den Gottessohn. Und Maria küßte das Kind wiederum und legte es an ihre Brust, und die Engel kamen und dieneten ihm. In derselben Nacht aber waren arme Leute auf dem Felde. Die sahen plötzlich in großer Klarheit einen Engel, der verkündete ihnen, der Heiland sei geboren worden und liege in Bethlehem in eine Krippe gebettet, und bei ihm sei die reine, jungfräuliche