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Deutsche Kirchen und Schulen zur Reformationszeit.
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torialen Gewalt in Anspruch zn nehmen.Die Pfarren," so schreibt er,liegen elend darnieder, niemand giebt, niemand bezahlt, Opfer und Seelpfennige sind gefallen, Zinsen sind nicht da oder zu wenig, es achtet der gemeine Mann weder Prediger noch Pfarrer, sodaß, wo nicht eine tapfere Ordnung und stattliche Er­haltung der Pfarreien vorgenommen wird, in kurzer Zeit weder Pfarrhöfe, Schulen noch Schüler da sein werden, und Gottes Wort und Dienst zu Boden gehen muß."

Das sachsen-ernestiuische Haus, unter Friedrich dem Weisen der Reformation im Stillen, unter dessen Nachfolger Johann Friedrich offen zugethan, ging auf Luthers Vorschlag, auf den Bildungsgang der Kirche einzuwirken uud einen Läuterungsproceß mit ihr vorzunehmen, ein und ordnete zu diesem Zwecke Visitationen an, über die uns jetzt C. A. H. Burkhardt in der Schrift: Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen von 1524 bis 1545 (Leipzig, Gruuow, 1879. 347 S.) zum ersten Male quellen­mäßig berichtet hat. Das Buch, auf gründlichster Forschung in den Archiven ruhend, muß als ein sehr werthvvller Beitrag zur Kunde der Kirchen- und Sitten­geschichte des sechzehnten Jahrhunderts bezeichnet werden. Im Nachstehenden geben wir, zum Theil mit den Worten des Autors, einen Ueberblick iiber den Hauptinhalt desselben.

Daß man zur Untersuchung der Zustände mit Visitationen begann und später fortfuhr, war selbstverständlich. Sie waren schon zur Zeit der Apostel üblich gewesen uud in der katholischen Kirche von den alten Bischöfen aus­geübt worden, aber allmählich in Verfall gerathen und mit ihnen, wie Lnther imVisitationsbnche" betont, die anderen Einrichtungen der katholischen Kirche. Stifter und Klöster," sagt er dort,haben die christliche Kirche unterdrückt, der Glaube ist erloschen, die Liebe in Zank und Krieg verwandelt, das Evangelium ist unter die Bank gesteckt, und anstatt daß dasselbe regiert, ist eiteles Menschen­werk oben auf. Da hat freilich der Teufel gut machen, weil eitel geistliche Larven und MünckMlber aufgerichtet sind." Zunächst aber hatten die Visitationen nicht sowohl die Verderbniß der Sitte und den Glauben der Betreffenden und deren Läuterung im Auge, als die materielle Seite der Sache. In jener Beziehung war Vorsicht geboten, wenn die Existenz der Ansätze zur Bildung einer Kirche nicht in Frage gestellt werden sollte. Jene Schäden sollten später beseitigt werden. Vorerst war nach Luthers Meinung zu sorgen, daß der schwerbedrohte Bestand der Kirchen und Schulen durch genügende Dotirung gesichert werde.

Der erste Versuch mit Visitationen wurde 1524 in einzelnen Lcmdestheilen in den Aemtern Borna und Tenneberg unternommen. 1526 folgte ein zweiter im Kurkreise. Beide wurden bald als unzulänglich und von unrichtigen Grund­sätzen bestimmt erkanut, und man begann mit der Untersuchung aller Gebiets-