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Rückblicke auf die Berliner Generalsynode. 2.
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hier eine Lücke vorhanden, und wenn der Antrag Eiselen sich darauf beschränkt hätte, diese auszufüllen, etwa eine Bestimmung zu befürworten, daß auch außer­amtliche Publikationen eines Geistlichen geeignet seien, einen Protest von Seiten der Gemeinde zn begründen, so würden wir nichts dagegen einzuwenden haben. Derselbe geht aber weiter. Diese außeramtlichen Publikationen sollen unter die Kategorie der Lehre gestellt und deshalb die synodalen Instanzen bei Ein­sprüchen der Gemeinden, die aus ihnen sich begründen, zugezogen werden. Wir sehen davou ab, daß wir es begrifflich für unzulässig erachten müssen, literarische Arbeiten oder private Aeußerungen unter den Gesichtspunkt der Lehre zu stellen; dies sollte nur da geschehen, wo, wie auch der Präsident des Oberkirchenraths mit Recht betonte, die amtliche Autorität deu Geistliche» trägt, uicht aber da, wo er nur als theologischer Schriftsteller oder als private Per­sönlichkeit handelt. Wichtiger sind aber die sachlichen Bedenken. Daß der Geistliche an der theologischen Arbeit sich betheiligt, ist gewiß wünschenswert). Aber es liegt in der Natur derselben, daß sie, da sie ja einen Fortschritt her­beiführen will, sich mehr oder weniger vom Hergebrachten entfernen und inso­fern heterodox werden muß. Ein theologischer Schriftsteller wird mehr oder weniger Heterodoxien vortragen. Diese Heterodvxien werden mitunter von geringer, mitunter von großer Bedeutung sein. Wer soll nuu darüber urtheilen, wer ist dazu qualisizirt? Wir behaupten: der Synodalvorstand nicht. Was wir bei der Besprechung des vorigen Antrags erhärtet haben, ist auch hier zutreffend. Ueber theologische Fragen können nnr Männer urtheileu, welche die theologische Wissenschaft beherrschen; nur sie sind kompetent. Welches Ge­schick würde wohl den Thcvlvgcn treffen, von dem die gläubige deutsche Theo­logie unsers Jahrhunderts ausgegangen ist, wenn er der Kritik eines Synodal­vorstandes unterläge! Gegen Schleiermacher würden die erheblichsten Bedenken erhoben werden können; wir vermutheu, daß viele, wenn nicht alle Kanzeln in der preußischen Landeskirche ihm verschlossen bleiben würden, sobald das Ge­wicht der synodalen Faktoren znr Geltung käme. Und dabei würde diese kaum ein Vorwurf treffen. Denn in welchem kirchlichen Dogma ist Schleiermacher nicht heterodox! Und seine Heterodoxien sind eingreifendster Art. Es gehört eben die wissenschaftlichste Durchbildung dazu, um iu dem Gcmzeu der Schleicr- macherschen Theologie ihren positiven Grundcharakter zu erkeuueu, durch welchen die Abweichungen vom kirchlichen Bekenntniß ausgeglichen werden. Wir miß­billigen es daher, daß die wissenschaftlichen Arbeiten der Geistlichen dem Ein­fluß der synodalen Instanzen nicht entzogen find. Daß, falls populärwissen­schaftliche Publikationen oder Flugblätter deu Grund zum Einspruch gegeben haben, die synodalen Instanzen zugezogen werden, dagegen wollen wir uns nicht aussprechen. Dergleichen Schriften wenden sich an einen allgemeinen