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Die erste Bekanntschaft mit Nikolaus machte Schneider 1833, als er mit andern Berliner Schauspielern dem König Friedrich Wilhelm zu der bekaunten Zusammenkunft mit dessen kaiserlichem Schwiegersohne in Schwedt gefolgt war, um hier die Monarchen und deren Gefolge des Abends durch Aufführung von Lustspielen unterhalten zu helfen. „Ich war ganz zufällig vor dem Schwedter Schlosse," erzählt der Verfasser, „als der Kaiser nach langer, ängstlicher Spannung (durch schlechtes Wetter auf der Ostsee aufgehalten) ankam. Aber ich sah eben nichts weiter als einen sehr großen Mann, der es — wir kürzen etwas ab — so eilig hatte, daß er das Oeffnen des Wagenschlages nicht abwartete, sondern über ihn hinweg sprang. Erst bei der Vorstellung am Abend sah ich ihn durch den Vorhang beim Eintritt in das kleine Zimmer, wo die improvisirte Bühne aufgeschlagen war. Seine ungewöhnliche Größe, das Ebenmaß feiner Glieder, die edle Haltung, der imponirende Blick, die Gewohnheit des Befehlens, das alles vereinigte sich bei ihm zu einem Bilde der vollendetsten Männerschönheit. Sein Benehmen gegen den königlichen Schwiegervater war von einer Courtoisie, ja kindlichen Ehrfurcht, die man selbst gesehen haben muß, um sich einen deutlichen Begriff davon zn machen." — „Als Gast des Königs nahm der Kaiser keine Notiz von den Schauspielern, erschien auch nicht wie jener auf der Bühne, fondern unterhielt sich in den Zwischenakten mit den Damen des Hofes. An mich richtete er auf so kuriose Weise das Wort, daß ich uicht ahnen konnte, ich werde ihm jemals näher stehen. Bei dem Eindrucke, den seine Persönlichkeit auf mich gemacht, ergriff ich jede Gelegenheit, um in den Zwischenakten in den Zuschciüerraum zu blicken, indem ich mir an der Seite des Vorhangs, hinter dem sogenannten Manteau d'Arlequin eine Stelle suchte und das leicht zusammengeheftete Zeug treunte. Bei der Enge des Nanmes stand der Kaiser, ein Glas Eis in der Hand, kaum zwei Fuß von meinem Observatorium entfernt, und ich erinnere mich genau der beiden Reihen blendend weißer Zähne, die er zeigte, wenn er bei der Konversation lachte. Plötzlich heftete er seine durchdringenden Augen auf die Stelle, wo ich hindurchsah, und sagte, scherzhaft den Berliner Dialekt nachahmend, den er soeben von Beckmann in seiner Vollenduug gehört: ,Da sieht ja eine Nase durch!^ Wie der Blitz fuhr ich zurück und glaubte natürlich, der Kaiser habe auch den Eigenthümer dieser Nase erkannt, denselben Mann, der einst seine militärische Biographie schreiben, und den er dnrch sein Vertrauen ehren sollte."
Näher bekannt wurde Schneider mit dem Zaren 1835 in Kalisch bei der von den Monarchen Preußens und Rußlands veranstalteten gemeinschaftlichen Truppenschau, welcher jener als militärischer Berichterstatter beiwohnte, während er eigentlich wieder in seiner Eigenschaft als dramatischer Künstler nach Kalisch befohlen worden war. Die erste Begegnung des Schauspielers mit dem Kaiser fand bei einer Vorstellung eines Theils des Theaterpersonals auf der Bühne statt. Nachdem Nikolaus den Andern leicht zugenickt und einen Blick auf die Dekorationen geworfen, ging er — wir lassen das Buch selbst erzählen — „gerade auf unser kleines Häuflein zu. Der (den Kaiser begleitende preußische) Oberstleutnant v. Thümen sagte, auf mich zeigend: ,Das ist Herr Schneider, Eure Majestät/ — Sehr betroffen darüber, daß man mich allein vorstellte, wurde mir nicht ganz wohl bei der Sache, und ich mußte mich zusammennehmen, um nicht die Contencmce zu verlieren. Noch ehe ich meinen ungeheuren und möglichst verlängerten Diener beendigt hatte, sagte der Kaiser schon: ,Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zn machen. Ich habe fchon viel von Ihnen gelesen und gehört, Sie sollen ja ein halber Soldat sein/ — ,Verzeihen Eure