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Der Aarewitsch in Merlin.
Der Großfürst-Thronfolger von Rußland hat sich entschlossen, auf der Rückkehr von Cannes nach St. Petersburg einige Tage in Berlin zu verweilen — er wird nicht kommen — er wird auch Wien besuchen — solche und ähnliche Nachrichten gingen in den letzten zehn Tagen durch die Presse und wurden vielfach ko»unentirt, hier von diesem, dort von jenem politischen Staudpunkte, bald sanguinisch, bald pessimistisch. Inzwischen ist der Zarewitsch wirklich in der deutschen Kaiserstadt eingetroffen und zwar, nachdem er vorher in Wien gewesen. Daß dies ein Ereigniß ist, steht bei der Bedeutung, welche er als Repräsentant der zukünftigen Politik Rußlands hat, und bei einem Blick auf die Gestalt, welche nnser und Oesterreichs Verhältniß zu unserm Nachbar im Osten seit Ausführung der Beschlüsse der Berliner Konferenz angenommen hatte, außer Zweifel. Die Frage ist nur, was oder wieviel es ausdrückt, und hier gibt eine Rückschau auf die Entwickelung der Angelegenheit in Verbindung mit dem, was wir über den Charakter und die Anschauungen der fürstlichen Persönlichkeit wissen, um die es sich zunächst handelt, vielleicht einen Fingerzeig.
Die Ordnung der Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel, über die man sich in Berlin verständigt, hatte in Rußland nicht befriedigt. Die große, in weiten Kreisen den Ton angebende nationale Partei zürnte. Fürst Gortschakoffs Bedürfniß, populär zu sein, uud sein Wunsch, als Stern neben einem andern Sterne der diplomatischen Welt zu gelten, hatten ihn bis zu einem gewissen Grade mit jener Partei zu gehen bewogen und waren, als sie in Berlin unerfüllt blieben, zu Verdruß und Uebelwollen geworden. Auch weiter hinaus hatte man sich gewissen Aspirationen der Nationalen zugeneigt uud fand sich jetzt enttäuscht. Die Ursache des Mißlingeus wurde in der Haltung Deutschlands gesucht, welches, undankbar für 1870 gewährte Förderung, Rußlands Ansprüche nicht genügend unterstützt haben sollte, während sein Kanzler in Wahrheit nur darauf bedacht gewesen war, durch Vermittelung der Gegensätze einen Weltkrieg zu verhindern, der in erster Linie nicht im Interesse Deutschlands lag, aber auch für Rußland nicht mit Sieg endigen konnte, sondern zu einer Niederlage schlimmer als die im Krimkriege, zu einer Erschütterung des Reiches und vielleicht zu einem Umsturz der bestehenden Ordnung desselben durch revolutionäre Gewalten geführt haben würde.
Diese Friedenspolitik des deutschen Reichskanzlers wurde nach Schluß der Konferenz fortgesetzt, als es die Verwirklichung der dort getroffenen Abmachungen galt. Von Petersburg kommende Wünsche nach einem anderen Verfahren nahmen, als sie nicht berücksichtigt werden konnten, die Gestalt von