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Die Palmen von Elche : ein Reisebild aus Südspanien.
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an der Schlinge hinauf, hält sich am Stamme fest und wiederholt diese Mani­pulation, bis er oben ist, was so schnell geschieht, als ob unsereiner die gleiche Länge in mäßigem Tempo im Zimmer abschritte. Diese Behendigkeit ist wahr­haft staunenswerth, und nie geschieht ein Unglück. Oben angekommen, hängt der Bursche in der Schlinge, hat beide Hände frei und kann nun alle Hand­griffe ausführen, sei es um die Wedel zusammenzubinden, oder die Fruchttrauben zu untersuchen, die faulenden Datteln herauszustoßen, die reifen in die Körbe zu sammeln, die er auf dem Rücken mit hinaufgenommen hat, und die er dann gefüllt an langem Espartostricke herabläßt.

Als es 11 Uhr geworden war, die Stunde, wo man in Spanien zum sl- nniMi5o, zum Frühstücke ruft, trug trotz aller Palmenpoesie auch unser sterbliches Theil ein Verlangen nach Erquickung. Aber das Haus, in welchem unsere Pferde standen, war nur eine vsnts,, d. h. man konnte dort nur kochen, was man selbst mitgebracht hatte; überdies bot sich uns beim Eintritt in den Küchenraum, der zugleich Wohn- und Speisehalle war, ein Bild, das uns sofort wieder von dannen trieb: die dicke, alte Herbergsmutter ließ, auf dem Boden liegend, ihr Haupt im Schooße einer Magd ruhen, welche in den aufgelösten, schwarzgrauen Haar­büscheln eine Operation vollzog, die mit den Operationen in den Palmenkronen keinerlei Ähnlichkeit zeigte. Zum Glück fand sich in der Nähe ein kleiner xg-r-iäor, eine Garküche, in deren heliotropengeschmücktem xatio uns ein junges Mädchen, das kaum den Kinderschuhen entwachsen schien, prachtvolle Artischocken, frisch­geschmorte Meerfische, Salzoliven und rosiges geräuchertes Schweinefleisch, end­lich Orangen und frische Datteln zu trefflichem fchwarzen Wein aufstellte. Als wir im besten Zuge waren, erschien Dolores, die jugendliche Schenkin mit den dunkeln Gazellen-Augen, wieder, an der offenen Brust einen kleinen Knaben, und so setzte sie sich zu uns und machte die Honneurs des Hauses, während der kleine Lg,va.11kro sich sein Diner ebensogut schmecken ließ als wir uns das unsrige. Dies alles war so selbstverständlich und natürlich in diesem südlichen Lande, als es bei uns souderbar gewesen wäre. Sie aber, die Sennora, war. kein Kind, auch keiu Mädchen mehr, sondern, obgleich kaum 17 Jahre alt, schon seit zwei Jahren verheirathet und die xaärong. des pi^s-clor.

Aber so reizend dies Alles auch war, und so sehr auch Dolores an jene aus dem Volke geholten Modelle jener Madonnen erinnern mochte, welche Murillo so unübertrefflich lebenswahr gemalt hat, so schlug doch die Stunde des Schei- dens. Es war Mittag vorüber, und wir hatten noch einen Ritt von vier Stunden vor uns, ehe wir Orihuela erreichen konnten.

Ebenso plötzlich Und fast unvermittelt wich der lichte Palmenschatten mit dem hohen Walde hinter uns zurück, wie er bei der Ankunft uns entgegen ge­treten war. Einmal draußen, ging's im heißen Mittagsscheine durch eine reich-