— 258 —
Politischen Glaubensverwandten erregend wirkten und ihrerseits von ihnen nen erregt und zuversichtlicher gestimmt wurden. Man machte die unerfreuliche Entdeckung, daß die Zahl der Anarchisten, die zurückgeblieben waren, eine sehr bedeutende war, und daß die Ansprüche derselben von Tag zu Tage wuchsen. Das Wiedersehen der Freunde und Führer ließ erloschen geglaubte Gluthen wieder glimmen und gelegentlich hell aufflammen. Man begrüßte die Begnadigten als „Märtyrer", man erinnerte sich mit Stolz des im Frühjahr 1871 Geschehenen, man verlangte mehr oder minder ungestüm Vergessenheit und Vergebung für Alle, die das Gesetz noch in der Verbannung gelassen hatte, und man sah sich von einem Theile der gemäßigten Republikaner in diesem Verlangen unterstützt — ein Zeichen, daß die Maßlosen wieder eine Macht geworden waren. In Folge dessen wuchs die Dreistigkeit und die Ungeduld derselben fortwährend, und die Demonstrationen wurden immer häufiger, bei denen in Reden voll Haß und Trotz unter dem Zujauchzen von Tausenden die Sache des Proletariats und des Kommunismus vertreten und gefeiert und das ungeschwächte Fortleben der alten verbrecherischen Absichten und Pläne ohne Sehen enthüllt wurde.
Die Ansprache, welche de Heredia als Präsident bei Eröffnung der neuen Session des Gemeinderaths von Paris hielt, ist bei allen ihren heuchlerischen Redensarten und trotz ihrer Ermahnungen zur Eintracht und Humanität ein grober Verstoß gegen die politische Vernunft und die Moral. Auf die volle Amnestie anspielend, ruft er aus: „Mit Herz und Hand verlangen wir ein neues Gesetz der Befreiung. Paris besitzt den Stolz, sich für reif zur Emanzipation zu halten, es erwartet zuversichtlich, daß man ihm Gerechtigkeit widerfahren lasfe. Ich fordere die allgemeine Begnadigung im Namen aller Männer von Herz, aller vorsichtigen Politiker (vorsichtigen! der Gipfel des Wahnsinns), aller kaltblütigen Republikaner." Wenn er znletzt von der „blinden Wuth und dem unpolitischen Widerstande" faselt, „welchen die Pariser Wähler gefunden", so ist das geradezu unbegreiflich, und das Journal 6s8 vöbats hat ganz recht gethan, dies als eine Unverschämtheit zn bezeichnen und den Redner daran zu erinnern, daß der Pariser Gemeinderath, wenn er noch Jahre lang ohne Dach und Fach ist, sich dafür gerade bei denen zu bedanken hat, zu deren Gunsten heute nach allgemeiner Amnestie geschrieen wird, bei den Mordbrennern der Kommune von 1871.
Bei der Berathung des in Marseille tagenden sozialistischen Arbeiterkongresses am 26. Oktober schloß der zweite Redner über die Lohnfrage seine Worte mit einem Hoch auf die demokratische und soziale Republik, und drei andere Mitglieder der Versammlung beantragten die Gründung einer großen Arbeiterpartei in Frankreich, welche die „volkswirtschaftlichen Rechte erobern,