— 231 —
Zweifel, daß wir hier die Vorbilder für die Darstellungen der Pforte vor uns haben. Ueber die an Davids Seite stehende weibliche Gestalt mit der Krone haben wir nun volle Gewißheit. Nicht eine Personifikation der Kirche, der Ecelesia, ist hier zu erkennen, sondern — Bathseba, das Weib des Uria, eine Deutung, auf die freilich ohne die Kenntniß jener Quellen kaum jemand verfallen wäre. David und Bathseba, Salomo und die Königin von Saba, die beiden Königspaare, sind hier als Hochzeitszeugen gegenwärtig, zugleich aber als die typischen Vorbilder für Christi Vermählung mit der Kirche. Auch Honorius bestätigt die Nichtigkeit der Interpretation; in seinen exegetischen und homiletischen Schriften verweilt er mit Vorliebe bei dem Bilde Salomo's und der Königin von Saba, als dem Vorbilde Christi und der Kirche, und in seiner Auslegung der Psalmen hebt er es ausdrücklich hervor, daß David die Gestalt Christi, Bathseba die Natur der Kirche an sich trage. Aber auch Johannes der Täufer erscheint in Sequenzen und Predigten wiederholt als Freund und sogar als Brautführer des Bräutigams (xaran^iuxliuZ 8rwnsi), der von Christus zur Hochzeit mit eingeladen wird, und mit gleichem Rechte ist Johannes der Evangelist anwesend. Johannes, heißt es, war der Bräutigam, dessen Hochzeit zu Kana gefeiert wurde. Als er, erzählt Honorius, die wunderbare Verwandlung des Wassers in Wein gesehen, verließ er seine Braut und folgte Christus nach. Auch die zu Ehren des Evangelisten gesungenen Sequenzen spielen auf dies Ereigniß an; in einer derselben wird er selbst geradezu als „Bräutigam" Oxorisus) bezeichnet. Nur Daniel wird in keinem Kirchenliede erwähnt. Aber auch hier geht aus den exegetischen Schriften des Honorius hervor, wie er unter den Kreis der Hochzeitszeugen kommt. Seine erste Hochzeit, heißt es, feierte Christus bereits im Mutterleibe Maria's, „als der König des Himmels mit seinem Sohne Christus die Menschennatnr vermählte, wo die Brautkammer der Leib der Jungfrau war, aus dem er, wie der Bräutigam aus seiner Kammer, hervorging". Für diese Hochzeit aber wird im alten Testamente Daniel als Vorbild herangezogen. Wie Daniel bei versiegeltem Eingänge unversehrt in der Löwengrube gefunden wird, so ist Christus ohne Verletzung der Jungfräulichkeit Maria's in das Innere ihres Leibes ein- und wiederum daraus hervorgegangen. So stehen denn alle acht Statuen der Goldnen Pforte zum Bräutigam in innigster Beziehung, und ihre Gegenwart bei der Hochzeit Christi ist nach mittelalterlichem Glauben durchaus verständlich und gerechtfertigt.
Aber auch der übrige Bilderschmuck der Pforte gehört in den Rahmen der erwähnten Kirchweihgesänge. Die Thier- und Menschenköpfe, auf welche die heiligen Gestalten treten, versinnlichen, worauf in den Sequenzen ebenfalls angespielt wird, die feindlichen und sündlichen Mächte, die bei der heiligen Hochzeit verscheucht und überwunden werden. Im Tympanon ist, um zunächst